Presseartikel zum Thema Wald etc.

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Fred
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Presseartikel zum Thema Wald etc.

Beitrag von Fred »

Ich fange in diesem Bereich mal so ein Sammelthread an.

Auf der Nachdenkseiten-Webseite ist ein Artikel zum Zustand der Wälder erschienen:

Hitze, Dürre, Monokulturen – der deutsche Wald stirbt

Die Monokulturen, die seit Jahrhunderten als „Kunstwald“ unser Bild vom deutschen Wald prägen, wären auch ohne Klimawandel nicht überlebensfähig. Hitze, Stürme und langanhaltende Dürren greifen jedoch mittlerweile auch die vergleichsweise natürlichen Mischwälder an. Deutschlands Wälder sterben. 245.000 Hektar Wald gelten laut aktuellem Waldschadensbericht als tot und müssen wieder aufgeforstet werden – eine Fläche, so groß wie das Saarland. Vor unseren Augen, aber dennoch kaum beachtet, spielt sich zur Zeit eine ökologische Katastrophe historischen Ausmaßes ab[...]

"Die Jahre 2018 und 2019 waren laut einer Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung die beiden schlimmsten Dürrejahre seit Beginn der Erhebung durchgängiger Klimadaten im Jahre 1766. Und auch das Jahr 2020 ist im Vergleich zum langjährigen Schnitt zu niederschlagsarm. Regional reichen die Niederschläge bestenfalls für eine Durchnässung der oberen Bodenschichten. Für ältere Bäume mit teils mehrere Meter tiefen Wurzeln reicht dies nicht."


Manfred
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Re: Presseartikel zum Thema Wald etc.

Beitrag von Manfred »

Fred hat geschrieben: 12.08.2020, 19:24 Die Monokulturen, die seit Jahrhunderten als „Kunstwald“ unser Bild vom deutschen Wald prägen,


Ist das so?
In der jüngeren Waldgeschichte kenne ich mich zu wenig aus, merke ich gerade.
Ich sammle aber seit einiger Zeit alte Fotos hier aus der Gegend, um die Landschaftsveränderungen wenigstens der letzten gut 100 Jahre
nachvollziehen zu können.
Geschätzt mind. 50% der heutigen Waldfläche waren vor 100 Jahren noch kein Wald, sondern landwirtschaftliche Nutzflächen.
Wald gab es hier überwiegend an Nordhängen und extrem Steilhängen.
Man sieht aber auf den alten Bildern in der Tat fast nur Nadelwald.

Was mir immer wieder auffällt: Es gab fast keine Hecken und auch die Ufer der Gewässer waren überwiegend frei von Gehölzen.
Die Hecken auf den Rainen kamen erst auf, als die Mechanisierung verstärkt einsetze, war hier spät der Fall war.
Vorher wurde jeder Quadratmeter für Grünfutter genutzt und auch jeder Rain beweidet oder gemäht.
Windschutzhecken waren hier in den Mittelgebirgen nicht erforderlich und Einzäunungs-Hecken hätten bei den zumeist kleinen Schlägen wohl zu viel Platz genommen. Da hat man lieber die Kinder hüten lassen.
Den Steppenarten wie Rebhuhn und Hase kam diese Landschaft sehr entgegen. Die haben massiv gelitten durch die weitgehend entfallene Prädatorenbejagung und die heute modische Verheckung.

Unsere Wiesenbäche sind heute tief eingeschnitten, wegen der Gehölze, deren Wurzeln den Boden nicht halten können, die aber bei Hochwasser einengen. Deshalb wird bei Hochwasser auch viel mehr Geschiebe bewegt, was nach meiner Theorie den jungen Bach- und Flussmuscheln massiv schadet.
Früher waren die Ufer von den Weidetieren flach getreten und solide von Gräsern durchwurzelt, die den Boden festgehalten haben. Bei Hochwasser gingen die Gewässer dank der flachen Ufer sofort in die Breite und hatten so viel weniger Geschiebebewegung und Zerstörungskraft.
Ich habe bei meinen Beweidungsversuchen ja stellenweise die Ufer unseres Bachs nach der alten Weise flachtreten lassen.
Bei Hochwasser geht der Bach da in die Breite und entläd sein Geschiebe.

Aber zurück zum Wald:
Der ehemalige Kronacher Stadtarchivar Wich hat gerne die alten Aufzeichnungen studiert und anekdotische Auszüge daraus in der Lokalpresse veröffentlicht.
In dieser extrem armen Region waren viele Menschen auf der Suche nach Flechtmaterial, um sich ein Zubrot zu verdienen, und haben dafür auf fremdem Grund die flachen Wurzeln lebender Fichten ausgegraben, was regelmäßig zu Ärger und zur Bestellung von Waldwächtern führte.
Auch die Hutenutzung war wohl weit verbreitet (auf den Fotos nicht mehr zu erkennen, also wohl schon vorher weitgehend entfallen), was viel lichtere Wälder und entsprechenden Bodenbewuchs (also keine Monokultur, selbst wenn nur eine Baumart vorhandenen gewesen sein sollte) geführt hat.
Das eigentlich den lichten Wäldern des borealen Gebiets stammende Auerhuhn fühlte sich hier in diesen lichten Hutewäldern wohl und wurde auch bejagt.

Die Fichte wurde überwiegend für die Flößerei angebaut, die von hier teils bis in die Niederlande erfolgte.
Die alten Frankenwaldhäuser und Scheunen wurden bevorzugt aus dem langlebigeren Tannenholz, das mit zunehmendem Alter der Gebäude immer härter und weniger schädlingsanfällig wurde, gebaut. In die alten, handbehauenen Tannenbalken einer meiner Scheunen kann man nicht mal Nägel schlagen. Die verbiegen einfach. Die vorherige Scheune war um 1920 (? bin wegen des Datums nicht ganz sicher) abgebrannt. Ich vermute, dass damals für den Wiederaufbau teils gebrauchte Balken verwendet wurden.

Großflächige Fichtenaufforstungen hier in den Region sind aber überwiegend jüngeren Datums, auf im Lauf der Zeit aufgelassenen landwirtschaftlichen Flächen.
Und diese sind natürlich doppelt anfällig. Viel dichter (und daher schneller in Knappheit geratend) als die früheren Wälder und zudem auf durch die landwirtschaftliche Vornutzung mit Verdichtungshorizonten versehenden Böden, so dass sie oft nur sehr flach wurzeln.
Lichtere Bestände und solche auf alten Waldböden scheinen nach meinem subjektiven Eindruck von den seit 3 Jahren wegen der Trockenheit und der längeren Vegetationsperiode auftretenden extremen Käferkalamitäten weniger stark betroffen.

Was ich eigentlich sagen wollte: Vieles in der Landschaft, was man hier für althergebracht hält, weil es in unserer Kindheit vorhanden war, ist erst kurz vorher in dieser Form entstanden.


Fred
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Re: Presseartikel zum Thema Wald etc.

Beitrag von Fred »

Manfred hat geschrieben: 14.08.2020, 10:18
Fred hat geschrieben: 12.08.2020, 19:24 Die Monokulturen, die seit Jahrhunderten als „Kunstwald“ unser Bild vom deutschen Wald prägen,


Ist das so?
In der jüngeren Waldgeschichte kenne ich mich zu wenig aus, merke ich gerade.

Tja, gute Frage. Für so allgemeine Aussagen wie in dem Artikel gilt eigentlich immer ein sowohl als auch. Man wird Beispiele finden, da stimmt es, und auch solche wo die Entwicklung anders war.

Ich sammle aber seit einiger Zeit alte Fotos hier aus der Gegend, um die Landschaftsveränderungen wenigstens der letzten gut 100 Jahre
nachvollziehen zu können.
Geschätzt mind. 50% der heutigen Waldfläche waren vor 100 Jahren noch kein Wald, sondern landwirtschaftliche Nutzflächen.
Wald gab es hier überwiegend an Nordhängen und extrem Steilhängen.
Man sieht aber auf den alten Bildern in der Tat fast nur Nadelwald.

Ja, bin ich mit meinem Vater unterwegs äussert er sich auch immer so: "Früher war hier alles offen".
Jeder Mensch hat die Tendenz dazu, die Situation die er in seiner Kindheit und Jugend erlebt hat als "Normal" zu empfinden. Daher ändern sich diese Attrribute schneller als man denkt.

Im ausgehenden Mittelalter war Europa auf alle Fälle weitgehend entwaldet durch übernutzung im "Hölzernen Zeitalter". Deshalb in Barock /Rainessance auch die Angst der feinen Gesellschaft vor dem Wasser(!). War bestimmt begründet, in dem ökologischen Zustand des Kontinentes. Dann wurde angefangen aufzuforsten.... mit schnellwachsendem Nutzholz, ergo der Fichte. Fichte hat damit die Funktion einer Pionierpflanze erhalten. Und wie ein Pionierwald, er fällt eben recht schnell....

Was mir immer wieder auffällt: Es gab fast keine Hecken und auch die Ufer der Gewässer waren überwiegend frei von Gehölzen.
Die Hecken auf den Rainen kamen erst auf, als die Mechanisierung verstärkt einsetze, war hier spät der Fall war.


Hecken fielen vorallem den Flurbereinigungsverfahren zum Opfer. Diese gab es in den 1950er und 1960er Jahre sehr intensiv, aber auch noch heute. Wer damals bei der "modernen Landwirtschaft" nicht mitmachte wurde stigmatisiert, als Vortschrittsverweigerer, und Schuldiger am Hunger (Nachkriegsjahre). Auch im dritten Reich wurden "Anti-Hecken-Kampgnen" gefahren, sogar sehr aggresiv, jeden m² für Landwirtschaft nutzen.

Vorher wurde jeder Quadratmeter für Grünfutter genutzt und auch jeder Rain beweidet oder gemäht.
Windschutzhecken waren hier in den Mittelgebirgen nicht erforderlich und Einzäunungs-Hecken hätten bei den zumeist kleinen Schlägen wohl zu viel Platz genommen. Da hat man lieber die Kinder hüten lassen.

Sicher. Andererseits gab es auch Gebiete wo man Laubheu machte. Ist ja nicht so, daß Hecken ohne Ertrag sein müssen. Niederwald mit "auf Kopf setzen" und "scheiteln" ist sogar sehr produktiv (ausser bei Stammholz) aber das wird derzeit ja auch zu Brennholz verarbeitet...

Was ich eigentlich sagen wollte: Vieles in der Landschaft, was man hier für althergebracht hält, weil es in unserer Kindheit vorhanden war, ist erst kurz vorher in dieser Form entstanden.

Ja (s.o)


Manfred
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Re: Presseartikel zum Thema Wald etc.

Beitrag von Manfred »

Fred hat geschrieben: 14.08.2020, 16:36 Hecken fielen vorallem den Flurbereinigungsverfahren zum Opfer.
Ja. Aber da waren sie vielerorts erst kurz vorher entstanden, durch den Wegfall der Nutzung.
Es wird aber so getan, als wären das lange überlieferte Strukturen gewesen.

Und wie du schreibst, wurden die Hecken vorher, wo es welche gab, umfangreich genutzt.
Sommerschnitte zur Pflege oder Laufheunutzung haben selbst schmale Hecken relativ dicht gehalten, so wie man es heute noch bei Gartenhecken sieht.
Das Schnittverbot im Sommerhalbjahr, wie es heute in der Feldflur gilt, für den vermeintlichen Vogelschutz, wirkt äußerste kontraproduktiv.
Die Hecken sind viel zu durchlässig, um noch attraktive Brutmöglichkeiten zu bieten.
Ich habe z.B. in Hecken und Büschen, die durch den Verbiss der Tiere im Sommer dicht gehalten werden, viel mehr Nester als in den heute üblichen Hecken nach Landschaftspflege-Vorgaben.
Aber wenn sich so eine Ideologie mal festgebissen hat und gar in Gesetzen und Verordnungen verankert wurde, ist es kaum noch möglich, sich wieder davon zu lösen. Die Mehrheit glaubt den ständig wiedergekäuten Blödsinn, weil sie sich selbst kein Bild mehr macht, was draußen wirklich passiert.

Ein klassisches Beispiel für auf Einzelprobleme fixierte Richtliniengebung.
Es könnten dabei ja ein paar Vogelnester zerstört werden -> Feldhecken dürfen im Sommer nicht mehr gepflegt werden.
Die Folge ist dann, dass viel mehr Vogelnester gar nicht erst gebaut werden oder in den lichten Hecken Prädatoren zum Opfer fallen.


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