We feed the world

Smalltalk und Diskussionen über Gott und die Welt
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Hallo Günter ,

Du hast ja recht !!!
Vielen Dank für das Mut machen an ALLE.

gute Nacht
NORA


Inge
Beiträge: 500
Registriert: 04.04.2003, 18:52

Interview mit dem Autor und Filmemacher Erwin Wagenhofer

Beitrag von Inge »

http://www.oekom.de/nc/zeitschriften/pu ... ackpid=299

Aktuelles Heft punkt.um

Leseprobe
Interview mit dem Autor und Filmemacher Erwin Wagenhofer
"Das müssen die Menschen wissen."

Brot landet auf dem Müll, andernorts kochen die Mütter Steine. Tomaten glänzen geschmacklos, ihre afrikanischen Pflücker spielen nach der Arbeit auf Giftkanistern Gitarre. Um riesige Felder mit Soja für die europäischen Rinder anzupflanzen, werden Brasiliens letzte Urwälder gerodet. Erwin Wagenhofer, Filmemacher aus Österreich, hat in seinem Dokumentarfilm "We feed the World" die Spuren der globalen Lebensmittelindustrie verfolgt.

punkt.um: Wollten Sie mit "We feed the World" den globalisierungskritischen Zeitgeist treffen?
Ich wollte einen Film über den Zustand unserer Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts machen. Das Thema Nahrung habe ich gewählt, weil es jeden und jede betrifft.

Welche Wirkung haben Sie sich von dem Film erhofft und finden Sie sie bestätigt?
Die Wirkung ist enorm, in Österreich ist "We feed the World" der meistgesehenste Dokumentarfilm aller Zeiten. Was mich aber besonders freut, ist, dass sehr viele junge Menschen den Film sehen wollen. Sie sind mit dem Zustand unserer Gesellschaft nicht mehr zufrieden. Jetzt wollen sie hinter die Kulissen sehen und nicht mehr nur die Werbespots, in denen uns die Nahrungsmittelindustrie eine heile Welt vorgaukelt. Der Film hat eine Diskussion über die Bedingungen angestoßen, unter denen unsere Lebensmittel produziert werden.

Glauben Sie, dass Ihr Film tatsächlich etwas am Verhalten der Verbraucher(innen) ändern kann?
Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, obwohl ich nicht glaube, dass ein Film die Welt verändern wird. Das können nur die Leute. Viele kommen aus dem Kino und sagen: Ich esse nie mehr ein Hendl! Na, reden wir in 14 Tagen nochmal darüber. Aber immerhin, es ist ein Anstoß. Mehr kann man von einem Film nicht erwarten. Ein Filmemacher will die Leute ja nicht mit der Peitsche zum Bioregal treiben.

In Umfragen geben sich die Konsument(inn)en umweltbewusst. Sie lehnen Massentierhaltung und Gentechnik ab – aber die Verkaufszahlen sehen anders aus.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ihren Lebensstil ändern. Es reicht nicht, einmal in der Woche einen Bioapfel zu essen, der aus Chile kommt und überhaupt kein Bioapfel mehr ist, weil er 13.000 Flugkilometer hinter sich hat. Wenn Sie ökologisch hergestellte Produkte aus der Region kaufen, leben Sie preiswerter und gesünder.

Reicht es überhaupt, die Ernährung umzustellen, um die im Film gezeigte Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Umwelt einzudämmen?
Die Ernährung ist ein Teil. Eine andere Sache ist es, die Schieflage zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern zu beheben. Jährlich fließen 72 Milliarden US-Dollar an so genannter Entwicklungshilfe in die südlichen Länder und zurück kommen 116 Milliarden US-Dollar Zinsen. Nicht mehr geben, sondern weniger wegnehmen, sollte unsere Devise sein.

Ihre Spurensuche hält an allen Stationen der Lebensmittelkette und lässt Bauern, Fahrer, Wissenschaftler und Konzernmanager zu Wort kommen. Warum nicht die Verbraucher(innen)?
Die Verbraucher sitzen ja im Kino.

Und verlassen es vermutlich eher ratlos, denn eine Lösung präsentiert der Film nicht.
Weil es keine einfachen Lösungsvorschläge gibt! Dafür ist die Materie zu komplex. Wir wollen immer sofort Ergebnisse haben, dabei kann die Bewegung zehn, zwanzig, dreißig Jahre dauern. Wir müssen lernen mit dem Überfluss umzugehen. Heute bezahlt unser landwirtschaftliches System die Bauern dafür, dass sie nichts produzieren – und in den so genannten Entwicklungsländern verhungern die Menschen. Und hier hält uns die Werbemaschininerie der Industrie ununterbrochen dazu an mehr und mehr zu konsumieren. Die Wirtschaft muss immerzu wachsen und wachsen. Wie kann das funktionieren in einer Welt mit endlichen Ressourcen? 60 Jahre Wirtschaftswachstum, die Leute haben alles, sind aber trotzdem nicht glücklich.

Also macht die Nahrungsmittelindustrie auch hierzulande die Menschen unglücklich?
Die Schuldfrage interessiert mich überhaupt nicht, die ist etwas für Kirchen und Versicherungsanstalten. Es ist an der Zeit aufzuhören, die Schuld auf die anderen zu schieben. Wir müssen das Glück bei uns selbst suchen.

Wie kann man König Kunde in die Pflicht nehmen, um sein Konsumverhalten entgegen dem Billigtrend zu ändern? Und darf man das überhaupt? Warum soll man das nicht dürfen? Wer kann das machen und wie?
Wir alle, jede und jeder Einzelne, können das tun. Deshalb heißt der Film "We feed the World". Die positive Botschaft ist, dass unser Nahrungssystem von Menschen gemacht und nicht natur- oder gottgegeben ist, das heißt, wir können es wieder verändern. Wenn wir nicht wollen, dass zu aberwitzigen Zeiten und Preisen Erdbeeren aus Südspanien, die noch nicht einmal schmecken, 3.000 Kilometer durch halb Europa in unsere Supermärkte gekarrt werden, dann müssen wir aufhören sie zu kaufen. Dann werden die Spanier auch aufhören Erdbeeren zu produzieren und dann müssen die afrikanischen Arbeiter dieser Gemüseplantagen nicht mehr unter erbärmlichen Bedingungen leben.

Welcher Drehort hat Sie persönlich am meisten beschäftigt?
Tief betroffen hat mich unser Besuch in Brasilien, und dass in einem so agrarreichen Land neben den riesigen Feldern, auf denen Sojapflanzen für die europäischen Rinder wachsen, die armen Familien verhungern. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen, dass sie bei jedem Kilo Billig-Fleisch ein Stück Regenwald mitessen.

[Interview: Helena Obermayr]

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Erwin Wagenhofer, geb. 1961, ist freischaffender Autor und Filmemacher. Er arbeitet und lebt in Wien.


Viele Grüße aus dem Spessart
Inge

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Wesemichshof
Elise
Beiträge: 1768
Registriert: 21.08.2005, 17:49

Beitrag von Elise »

Hallo Inge, vielen Dank, daß du diesen Bericht ins Forum gesetzt hast. Ich hoffe viele werden ihn lesen. Ich war nicht in diesem Kinofilm, finde den Bericht äußert aufschlußreich.

Vlg Claudia

PS: Kaufe schon lange nichts mehr aus Spanien, da ich weiß wie dort "produziert" wird.


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