Diskussion Bill Mollison / Politik / Corona

Smalltalk und Diskussionen über Gott und die Welt
Viktualia
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Viktualia »

Der Humanismus fängt für mich da an, wo der eigene Vorteil, auch in Form der Gruppe, aufhört.
Das hab ich im allerersten Moment überhaupt nicht verstanden - und dann musste ich lachen,
denn "mein Bild" von Humanismus war immer, dass "die ganze Welt meine Gruppe ist."
Ich hab zwar nie gedacht, ich sei verpflichtet, "Kindern in Afrika das Leben zu retten", dann hätte ich Politikerin werden müssen,
aber ich war mir immer (ab etwa 9J.) bewusst, was mein "Schokoladenkonsum" anrichtet.
Herr der Lage wurde man erst, als man die die Behandlungen aufgegeben und die Rinder auf Resistenz gegen Zecken selektiert hat.

Ähnlich droht sich unser Gesundheitssystem zu entwickeln...
Manfred, das ist ja fast prophetisch. Die neueste Entwicklung bei Covid19 ist folgende: "Systemische Gefässentzündung ist Ursache der schweren Verläufe"
(Das nennt sich dann "Endotheliitis".)
Ich häng mich jetzt mal ziemlich weit aus dem Fenster und behaupte: es hat damit was von einer "Managerkrankheit".
Workoholism und "Konsum", nicht nur "Alter" führen zu einer extrem verschlechterten Chance, mit dem (Schnupfen)Virus klar zu kommen.

Das, was bislang als "Robustheit" in unserer Gesellschaft galt, wird von einem Modell abgelöst werden müssen, das mehr "Rücksicht auf die Gefässe" nimmt, so meine Vermutung.
Und "Rücksicht auf die Gefässe" nimmt man nicht nur in Form von guten Fetten, sondern vor allem mit Ruhe und Genügsamkeit.

"Gier tötet" bekommt durch Covid19 einen viel tieferen, reellen Hintergrund.

(Das muss ich relativieren, natürlich sind nicht alle Covid Opfer an "Gier" gestorben.
Aber die körperlichen Auswirkungen der "Sorge um", die vielen "individuellen" Entscheidungen dazu, lieber ordentlich das Hamsterrad mitzudrehen, als an der eigenen Genügsamkeit/Gelassenheit zu arbeiten oder in der eigenen Familie andere "Konsumstandards" zu installieren, die kann man jetzt zu Recht mit einbeziehen.)

Unsere bisherige Wirtschaft ist in meinen Augen eine "Zeckenzucht" und ich bin momentan ganz fasziniert von dieser Möglichkeit eines "für Manager tödlichen Schnupfens". (Und sehr gespannt auf die Sterberaten in der "dritten Welt", genau wissen kann ich es ja noch nicht.)


alpenblümchen
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Re: Bill Mollison

Beitrag von alpenblümchen »

würden wir die leistung der wirtschaft stark verkleinern, gäbe es viele arbeitslose. eine verkleinerte wirtschaft hätte kaum geld für eine angemessene arbeitslosenunterstützung. dies gilt auch für leute die sozialhilfe beziehen, für rentner und das gesundheitswesen usw. es gäbe eine grosse verarmung. möchten wir den heutigen lebensstandard behalten, sind wir gezwungen die wirtschaft am laufen zu halten.


Manfred
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Manfred »

Das ist, denke ich, das größte Übel der klassischen "Linken", einen irgendwie gearteten Idealmenschen erziehen zu wollen.
Sich mit dem Zhuangzi zu beschäftigen, hilft, dieses Denken zu hinterfragen und die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit anzunehmen, wie sie sind.
Dann fällt es einem auch nicht mehr ein, unser Wirtschaftssystem mit all seinen Vor- und Nachteilen als Zeckenzucht zu bezeichnen.
Die Frage ist doch vielmehr, wie wir durch weitere Evolution der Idee die Vorteile erhalten und die Nachteile überwinden können.

Eine sich entwickelnde kapitalistische Wirtschaftsordnung wirft natürlich das vorher bestehende System über den Haufen und entzieht so vielen ihre bisherige wirtschaftliche Existenz. Auf der anderen Seite schafft sie eine Fülle von kostengünstigen Produkten, die den Lebensstandard (fast) aller wachsen lässt.
Die Probleme liegen in der Belastung der Mitwelt und der mit der Zeit zunehmenden Konzentration von Vermögen und Macht in immer weniger Händen über immer längere Zeiträume.
Der klassische Linke möchte als Lösung den Kommunismus einführen und alle zu perfekten Kommunisten erziehen. Da es Kommunismus mangels perfekter Kommunisten aber nicht geben kann, landen wir im Stalin- oder Mao- oder Sonstwas-Ismus und damit in der Mangelwirtschaft.
Ein moderner "Linker" würde eher darüber nachdenken, wie man den kapitalistisch verlangten Menschen mögl. viel Entfaltung zum Wohle aller (durch den entstehenden Überfluss) ermöglichen, aber gleichzeitig die notwendige Dynamik der Vermögensverteilung aufrechterhalten und die negativen Auswirkungen auf die Mitwelt vermeiden kann.

Wo Fülle entsteht, hebelt sich die Notwendigkeit des Wachstums irgendwann selbst aus, weil die Nachfrage stagniert.
Das sehen wir z.B. in der Lebensmittelerzeugung in den westlichen Ländern. Da haben wir so viel Fülle, dass trotz ständigem Anziehen der Produktions- und Qualitätsstandards keine ausreichende Verknappung mehr entsteht, um die Produzenten fair zu entlohnen. Gleichzeitig haben sie aber einen viel höheren Lebensstandard als ihre Kollegen in den Mangelwirtschaften. Wer mehr will, muss Evolution betreiben, sprich sich positiv von der Masse abheben oder neue Wege außerhalb der bisherigen Branche gehen.
Irgendwann wird das halt insgesamt weitgehend stagnieren, wenn uns die Ideen und die Lebenszeit ausgehen, was wir denn noch alles haben möchten.

Man stelle sich vor, man hätte bereits nach dem 2. Weltkrieg begonnen, alle Häuser in Holz-100 oder mit hochgeämmten modernen Ziegeln zu errichten.
Dann wäre heute auch der private Wohnungsbau weitgehend überflüssig und wir bräuchten kaum noch Heizenergie zu importieren, weil wir einen Überfluss an langlebigem, bestens gedämmtem Wohnraum hätten.

Was wäre, wenn alle Autos voll feuerzinkte Karosserien hätten?

Die Berge an Videokasetten, CDs, DVDs etc. und den Unterhaltungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben wir durch das Streaming überwunden.
etc. etc.

Wenn wir nicht in der gesellschaftlichen Entwicklung zurückfallen, ist die Überflussgesellschaft absehbar.
Was zukünftige Generationen damit anstellen werden, werden wir dank unserer Endlichkeit wohl nicht mehr erfahren. ;-)


Breitfeld
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Breitfeld »

@ Manfred: Die Lösung für die vom Kapitalismus systemisch verursachten Schäden kann doch nicht "mehr Kapitalismus" oder "verbesserter Kapitalismus" heißen.
Wobei ich keineswegs einem Staatskommunismus das Wort reden will.
Irgendwo muß es doch auch noch einen anderen Weg geben.


Manfred
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Manfred »

Da bin ich ganz bei Richard Buckminster Fuller:

“You never change things by fighting the existing reality.
To change something, build a new model that makes the existing model obsolete.”

Man ändert die Dinge nicht durch Bekämpfung der bestehenden Realität.
Um etwas zu verändern, erschaffe ein neues Modell, welches das alte überflüssig macht.

Die klassische Revolution, das bestehende zu Zerstören in der Hoffnung, es käme etwas besseres nach, frisst mit steter Regelmäßigkeit ihre eigenen Kinder.
Vorwärts kommen wir nur, wenn wir bessere Systeme auf die Beine stellen. Die lösen dann die alten ganz von selbst ab.
Siehe z.B. die regenerative Landwirtschaft. Die funktioniert wirtschaftlich, ökologisch und (eingeschränkt) Sozial. Also löst sie die bestehende Landwirtschaft ab, die nur wirtschaftlich funktioniert und nicht mal das dauerhaft. Eine Entwicklung, die nicht mehr zu stoppen ist.

Ein Staat, der es schafft, ein besseres Wirtschafssystem zu errichten, wird erblühen und bald Nachahmer finden.
D ist aktuell auf den gegenteiligen Weg. Wir legen einen Bauchklatscher mit Ansage hin, der viele andere abschrecken wird...

Aber zurück zur Frage des besseren Systems:
Welches siehst du denn?
Ich sehe außer einer besser gemanagten, kapitalistischen Marktwirtschaft aktuell kein System weit und breit, das konkurrieren könnte.

Und wer als Kommunist leben möchte, kann das heute und in unserem System so einfach wie noch nie zuvor.
Arbeite fleißig, lebe bescheiden und verteile, was du übrig hast.
Seltsamer Weise tut das (fast?) keiner der lautstarken linken Vordenker, die teils Einkommensmillionäre sind und deren Vermögen kräftig weiter wachsen.
Ich habe den Begriff "Berufsrevolutionär" lange nicht verstanden. Inzwischen habe ich durchstiegen, was damit gemeint ist. Was sind diese ganzen Scheinlinken, die so konsequent auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind, anderes als Kapitalisten?

Askese, Ehrlichkeit und Mitgefühl sind evolutionär nur beschränkt von Vorteil und deshalb nur beschränkt ausgeprägt. Zu meinen, man könne alle Menschen (oder auch nur die Mehrheit) in dieser Hinsicht umerziehen und so eine bessere Welt schaffen, ist absurd.

Eine bessere Welt kann man nur schaffen, wenn man die Menschen in ihrer Vielfalt annimmt, wie sie sind.
Die Kunst ist halt, das Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und dem Gemeinnutzen zu finden.
Da sehe ich zwar einigen Bedarf, die demokratisch organisierte, soziale Marktwirtschaft besser zu justieren, aber kein grundsätzlich besseres System.


alpenblümchen
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Re: Bill Mollison

Beitrag von alpenblümchen »

Die Idee des Sozialismus und des Kommunismus war die Macht zu erobern. Um dann Zentral gesteuert eine ideale und gerechte Gesellschaft für die Ewigkeit zu schaffen. Unser Hirn scheint für Ideen vom Paradies verführbar zu sein.

Der Anarchismus entstand etwa zur selben Zeit. Im gegensatz zum Sozialismus/Kommunismus ging der Anarchismus davon aus dass in jeder Gesellschaft irgend wann eine Herrschende Klasse entstehen wird, die ihre Macht missbrauchen wird. Somit wäre es notwendig eine zu grosse Ansammlung von Macht immer wieder zu zerschlagen. Zudem wollte der Anarchismus die Gesellschaft dezentral organisieren. Der Mensch, das Dorf, die Region sollten in ihren Belangen eine grösst mögliche Entscheidungsgewalt haben.


alpenblümchen
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Re: Bill Mollison

Beitrag von alpenblümchen »

Im Link geht es auch um Macht, Ohnmacht und Covid-19.

https://www.theblogcat.de/uebersetzunge ... 7-04-2020/


Manfred
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Manfred »

Das Thema Corona / Covid-19 möchte ich an dieser Stelle eigentlich nicht vertiefen.
Das oben sollten nur aktuelle Beispiele sein, wo der Hase im Pfeffer liegt.

Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus sind auch gute Beispiele dafür.
Es handelt sich immer wieder um den gleichen Fehler: Es waren einzelproblemfixierte Lösungsversuche.
Der Anarchismus z.B. böte maximale persönliche Freiheit und eine ausgeprägte Subsidiarität. Durch seine langsamen Entscheidungsstrukturen ist er dem Angriff eines totalitären Systems mit geschlossenem Vorgehen aber gnadenlos unterlegen. Franko lässt grüßen.
Der Kommunismus meint die Kapitalisten im Zaum zu halten und schafft so Mangelwirtschaft.
Usw.

Diese Probleme kannten schon die alten Römer. Die hatten auch mit den Mängeln ihrer Demokratie-Versuche zu kämpfen und haben deshalb in Krisen- bzw. Kriegszeiten Diktatoren eingesetzt, um so bei Bedarf die Vorteile des Totalitarismus zu nutzen. Ging auch regelmäßig nach hinten los, weil sie anschließend die Diktatoren nicht mehr los wurden.

Auch in der aktuellen Covid-Selbstbastelkrise sehen wir die psychopathische Veranlagung diverser Politiker aufblühen. Sie nutzen sofort die Chance, unser System in Richtung mehr Totalitarismus umzubauen.

Und in der Wirtschaft sehen wir China durch seine schnellen und konsequenten Entscheidungen gnadenlos an uns verbeiziehen, während wir uns 40 Jahre um den Bau einer Umgehungsstraße oder Stromleitung streiten und in praktisch allen Innovationsbereichen keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, weil unsere Prozesse so langsam und träge geworden sind, dass die asiatische Konkurrenz eine neue Fabrik am Laufen und ein fertiges Produkt auf dem Markt hat, noch bevor bei uns die Gründungskredit und/oder Bauantrag bearbeitet ist.

Wenn wir unsere Demokratie behalten möchten, müssen wir also zu viel schnelleren Prozessen gelangen, um mit den totalitären Systemen wirtschaftlich mithalten zu können. Sonst kommen wir wie die Anarchisten unter die Räder. Wir sehen ja heute schon an den Covid-Umfragen die wachsende Begeisterung für vermeintlich starke Anführer. Und das, obwohl es uns wirtschaftlich noch vergleichsweise gut geht.


Viktualia
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Viktualia »

Manfred, ich muss mich zwar wohl für die "Zeckenzucht" (und eigentlich auch das "gespannt sein auf" die Zahlen der dritten Welt) entschuldigen,
andererseits bin ich sicher, dass auch der gute Zhuangzi zwischen "unserer" Wirtschaft und "der" Wirtschaft differenziert hätte.

"Unsere Wirtschaft" ist, was wir daraus machen, "Die Wirtschaft" ist das, was sein könnte, Potential.
Grundsätzlich hast du also Recht, aber Mr. Z. hätte sicher nicht gewollt, dass du mich so blind als "Links" verortest.

Warum ein anarchistisches, also mehr auf Selbstverwaltung beruhendes System (das als Ideologie halt gerne was idealistisches hätte),
nicht einen Notfall vom Normalfall unterscheiden können soll, erschliesst sich mir nicht.

Wir brauchen keine "Regierung" sondern eine "Verwaltung" - Vernunft, aber keine weiteren -Ismen.

Konflikte anders zu lösen als mit "Verwaltung" (oder draufhauen, bzw. ignorieren) ist bei einem systemischen Ansatz ja nicht ganz abseitig.

(Ich sehe - noch - keinen "Totalitarismus" hier im Land; ich sehe Menschen, die wenig Ahnung von Mathe haben.
Was mir Angst macht, ist dass das Thema "Boden" brach liegt, auch wenn der Klimaschutz als potentielle Lösung zumindest nicht ganz untergeht.)


Manfred
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Re: Bill Mollison

Beitrag von Manfred »

Viktualia hat geschrieben: 04.05.2020, 10:18 Ich sehe - noch - keinen "Totalitarismus" hier im Land
Hm. Als was würdest du die unbefristete Außerkraftsetzung von Grundrechten durch Notstandsgesetze sonst bezeichnen?
Die Verfassungsgerichte haben einiges davon ja schon wieder einkassiert, was aber weder einige Bundesländer vom Erzwingen von Versammlungsverboten mit Polizeigewalt noch die Bundesregierung von der Weiterführung ihrer Zwangsimpfungspläne abhält.
Evtl. hast du davon noch nichts mitgekommen, weil es in den Medien weitgehend totgeschwiegen wird?


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