Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

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davX
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Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von davX »

Hallo zusammen,

ich hatte kürzlich den spannenden Vortrag von Michael Braungart über Cradle to Cradle gesehen, das Buch von ihm kenne ich schon seit vielen Jahren, aber ich hatte einiges nicht mehr so genau in Erinnerung, dazu haben in der Zwischenzeit auch einige weitere Firmen sich überzeugen lassen, auf Giftstoffe in ihren Produktionsprozessen ganz zu verzichten.

Etwas hat mich nachdenklich gestimmt, und zwar seine Aussage, dass Urgesteinsmehl radioaktiv sein soll:


Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros.
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Fred
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Fred »

Das gugler Video aus dem Vortrag:



Manfred
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Manfred »

So ziemlich alles enthält Spuren von radioaktiven Isotopen.
Auf unserer Exkursion im Rahmen meines Strahlenschutz-Fachkundekurses damals im Studium (erscheint das lange her...) haben wir im Bayerischen Wald an einem offengelegten Granitfelsen entlang der Autobahn auch beachtliche Strahlenwerte gemessen, bedingt durch den hohen Gehalt des Gesteins an Uran und -Zerfallsprodukten.

Auch bei Phosphatdüngern wird der Urangehalt öfter mal thematisiert.

Problematisch an der Uran-Zerfallsreihe ist v.a. das Radon, als lungengängiger Alphastrahler.
D.h. in Wohn- und Arbeitsräumen sollte man solche Stoffe nicht unbedingt lagern.
Draußen geht die durch die relativ kleinen Mengen Material eingebrachte Strahlendosis in der eh vorhandenen natürlichen Strahlung unter.

Und wenn man eh auf Gestein mit hohem Urangehalt wohnt oder gar einen schlecht belüfteten Keller hat, braucht man sich darüber gar keine Gedanken mehr zu machen. Unser Professor hat auf einer Exkursion in Thüringen in einem Felsenkeller nach meiner Erinnerung mal über 100.000 Bq/m3 gemessen. Normal sind im Freien 5 bis 30 Bq/m3, in Wohnräumen 50 Bq/m3. Ab 300 Bq/m3 solle man Gegenmaßnahmen ergreifen, z.B. durch Zwangslüftung.
In D wird die Radon-Belastung in Raumluft und Trinkwasser kaum thematisiert. In Schweden achtet man deutlich mehr darauf. Da müssen m.W. Wohhäuser in Regionen mit stark uranhaltigem Gestein ohne Keller und auf "Stelzen" gebaut werden. D.h. sie werden auf ein niedriges Podest aus Stahlträgern oder Balken gestellt, um darunter einen Luftaustausch zu haben, so dass sich das aus dem Boden aufsteigende Radon nicht in den Häusern konzentriert.


Fred
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Fred »

Die Aussage ist ja eher etwas schwammig:

"Auch das Bio Urgesteinsmehl ist großteils hoch kontaminiert."



Und ja, es ist eben so, daß es schwierig ist gewaschen zu werden, ohne nass zu werden. Gesteine mit hohem Nährstoffgehalt sind meist magmatische Gesteine ("Ur"), diese enthalten viele begleitende Mineralien, die man ja will und leider ist eben öfter auch Uran oder andere Radioaktive Isotope dabei, so wie es diese Auf der Erde und im Erdkern eben gibt. Letztlich käme es darauf an, jede Lagerstätte auf das Verhältnis Nährstoffe/ Radioaktivität zu prüfen.

Auch die Bauindustrie hat damit zu tun, weil beliebte Gesteine wie Granit zu den radioaktiven gehören. Deshalb hier Informationen von der Bfs:
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt ... _node.html
Jetzt ist die Frage, welchen Stein der Hersteller als "[url0https://en.wiktionary.org/wiki/Urgestein]Urgestein[/url]" vermahlen hat. Granit ist ein Kandidat, Basalt, Diabas, Gneiss, und was weiss ich. Ersterer ist bei Radioaktivität wie man bei den Baustoffen sieht gut dabei.

Neudorff gibt für sein Urgesteinsmehl Diabas als Ausgangsmaterial an, dieses dürfte etwas günstiger liegen.

In Stuttgart wurde vor einien Jahren die Stadt neu mit Granit-Boden-Platten belegt, da kam dann auch die Diskussion ob der Strahlung auf:
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... 3f6ac.html

... aber gut, wenn ich mich recht erinnere - was soll da schon herauskommen, die Stadt misst natürlich so, daß die "Grenzwerte Eingehalten" sind, selbst, wenn man nach einem Orkan messen muss. Was soll man der Bevölkerung anderes sagen, wenn man 30 000 Quadratmeter in der Stadt neu mit diesen Platten belegt hat.

Radon aus dem Boden, ist durchaus auch ein Thema, vorallem in Süddeutschland, spezeill im Allgäu und in den Mittelgebirgen. Überall dort, wo entsprechende Gesteine im Untergrund sind. Es gibt auch dazu Informationsmaterial beim BfS, wobei die Karten im mehrere km-Raster nicht darüber aussagen, was unter einem bestimmten Grundstück für ein Unterboden ist.

Bfs: https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt ... boden.html
Messungen: https://www.umweltmesstechnik-bayreuth. ... ebiete.php


Fred
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Fred »

Deutlich auch die drastischen aussagen zum Status Quo im Bodenverlust der Landwirtschaft:
"Bodenverlust in Europa derzeit 5000 mal mehr als Bodenneubildung"
Daß er auch der demeter-Landwirtschaft einen Bodenverlust attestiert ist schon deutlich. Wobei wir hier ja wissen, daß es auf andere Faktoren als "Bio" ankommt, ob Humus auf- oder abgebaut wird.

Hier die Stelle:


Nett auch die folgende Aussage zum "ökologischen Muster":
"Sie dient nicht der Ökologie, aber hält uns beschäftigt." ... so wie in der DDR.
Er redet schon reichlich Klartext, wie es aussieht. Aber das wird von der Politik ja verlangt: Arbeitsplätze schaffen. Anstelle daß man mal nach Lebensqualität fragt.


Viktualia
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Viktualia »

Wenn es das Radon ist, das zur "Belastung" führt, dürfte das doch allerhöchstens beim Düngen in Gewächshäusern problematisch sein - oder?
In Häusern ist es doch auch nur in geschlossenen Kellerräumen gefährlich, warum sollte es auf einem Feld anders sein?
Diese Radioaktivität ist doch Teil der natürlichen und stammt nicht aus einer Kernspaltung.
(Oder irre ich und es "addiert" sich tatsächlich? Zu einer Grössenordnung, die tatsächlich relevant ist?
Ehrlich gesagt weis ich nicht mal, wie "relevant" da ein ungelüfteter Keller in z.B. der "Vulkaneifel" wäre.)

Und warum ist er sicher, dass diese ganzen Tonnen aus dem gleichen Material stammen?
"Stein" hat doch nicht immer die gleiche Zusammensetzung - wie Fred schon sagte, jede "Lagerstätte" wäre einzeln zu prüfen.
(Und wenn´s nach mir ginge, ginge "lokale Produktion" immer noch vor; unnötige Energieverschwendung scheint mir schlimmer als die Verteilung sowieso vorhandener Strahlung vom Berg ins Feld.)


Manfred
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Manfred »

Bei Kernstrahlung gibt es halt bezüglich der Wirkung keinen Unterschied zwischen "natürlich" und "unnatürlich" und auch keine Schadschwelle, unterhalb derer keine Schaden eintritt.
Es ist ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten, wo genau im Körper die Strahlung "eingschlägt" und ob der Körper den Schaden reparieren kann oder ob evtl. Krebs oder eine Erbmutation entsteht.
Unsere Körper sind durch die Evolution dafür gemacht, eine gewisse Strahlenbelastung zu überstehen, aber mit jedem zusätzlichen Treffer steigt halt das Risiko, dass ein Schaden bleibt.
Alphastrahlung kann normalerweise die Hornhautschicht der Körperoberfläche nicht durchdringen, aber an den Schleimhäuten der Lunge und des Verdauungstrakts kann sie schwere Zell(kern)schäden anrichten, was die Aufnahme von Alphastrahlern über Atmung und Nahrung gefährlich macht.
Draußen auf den Feld und bei den geringen ausgebrachten Mengen geht die Belastung aber wie gesagt in der eh schon vorhandenen Stahlenbelastung weitgehend unter.

Ein weiteres Beispiel für problematische Alphastrahler wäre das Polonium in Zigaretten, auf das wohl zumindest ein Teil der durch das Rauen verursachten Lungenkrebsfälle zurückgehen.


Fred
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Fred »

Wenn ich mir das so durch den Kopf gehen lasse, dann gehört der in Stuttgart verwendete Fußbodenbelag wohl zu den Gesteinen am oberen Ende der Radioaktivität. Ein Granit aus einer Lagerstätte, die für ihre erhöhte Radioaktivität bekannt ist. Die dort verbauten Platten sind relativ dick, größer als 10 cm, man kann das auf dem Bild erkennen.
Was dort zu messen ist ist noch tolerabel. Selbst die Messung eines kritischen, unabhänigen Ingenieurs (ich kenne den Mensch) ist signifikant, aber nicht direkt Alarmauslösend. Und das entspricht einer Urgesteinsmehl-Ausbringung von 10 cm höhe. Niemand bringt soviel Urgesteinsmehl auf sein Feld. Achtet man darauf, kein Granit (eh nur so, so Nährstoffhaltig) sondern weniger radioaktives Diabas oder Basalt zu verwenden, so ist man weit im sicheren Bereich, so wie ich das sehe.
PS: Nach der Tabelle der Baustoffe oben im Posting, sind Ton und Lehm auch keine Unschuldskinder was Radioaktivität betrifft.


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davX
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von davX »

Ich danke euch für eure Einschätzungen, das hilft doch schon recht gut, um das in der richtigen Grössenordnung einzuordnen.

@Fred
Ja der Punkt ist halt, wie gerade der Boden bearbeitet wird, und da überwiegt halt auch im Biodynamischen Anbau oft noch der Pflug und auch wenn man da dem Boden sonst noch so gut schaut, hat halt jedes Pflügen eine drastische Wirkung, je höher der Humusgehalt, desto problematischer.
Interessantes Detail am Rande, dass sich da beispielsweise die "Grow Biointensive" Leute um Ecology Action / John Jeavons, aber auch Charles und Perrine Hervé-Gruyer von Bec Hellouin ja recht ähnlich geäussert haben.


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Nakati
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Re: Radioaktive Kontamination durch Urgesteinsmehl?

Beitrag von Nakati »

Fred hat geschrieben: 23.07.2020, 23:57 ... Die dort verbauten Platten sind relativ dick, größer als 10 cm, man kann das auf dem Bild erkennen.
...
Und das entspricht einer Urgesteinsmehl-Ausbringung von 10 cm höhe.
...
Das sollte vom Strahlungstyp abhängig sein, und da spielt die Oberfläche mit


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