Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Ganzheitlich geplante Beweidung
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Manfred
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Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von Manfred »

Holistic Planned Grazing ist die Anwendung von Holistic Management ( https://www.regenerative-landwirtschaft ... f=15&t=212 ) auf die Weidetierhaltung.

Welche Methoden und Werkzeuge dabei wann und wie zum Einsatz kommen, wird in der jeweiligen Situation unter Beachtung des jeweiligen ganzheitlichen Kontext entschieden.

HPG ist nicht eine bestimmte Beweidungsmethode, sondern ein Weg, durch bessere Entscheidungen die Lebensqualität der beteiligten Personen zu verbessern und sie ihren Zielen (bzw. ihrem ganzheitlichen Kontext) schneller näher zu bringen.

Bei Weidebetrieben gehört dazu meistens (aber keineswegs zwingend, das liegt alleine bei den Entscheidern) die natürliche Produktivität und die Biodiversität der bewirtschafteten Flächen zu erhöhen, um kostengünstiger und nachhaltiger wirtschaften zu können.

Wer das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich zum Einstieg das Buch
"Holistic Management - A Commonsense Revolution To Restore Our Environment"
von Allan Savory und seiner Frau Jody Butterfield

und ergänzend dazu das Arbeitsbuch:
"Holistic Management Handbook - Healthy Land, Healthy Profits"
von Jody Butterfield, Sam Bingham und Allan Savory.
(Das Arbeitsbuch macht nur Sinn, wenn man obiges Grundlagenbuch zuerst gelesen hat.)


Scheuerhof
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von Scheuerhof »

"durch bessere Entscheidungen die Lebensqualität der beteiligten Personen zu verbessern und sie ihren Zielen (bzw. ihrem ganzheitlichen Kontext) schneller näher zu bringen."
Sehr schön beschrieben! Das trifft genau zu. Unsere Lebensqualität hat sich in den zwei Jahren, in denen wir ganzheitliches Management betreiben, enorm verbessert. Das geht soweit, dass wir jetzt noch Futter haben, wo es ringsum schon braun ist. Es ist einfach faszinierend zu sehen, was für ein Potential da ist, wenn man lernt mit der Natur zu arbeiten!


ibek
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von ibek »

Hi. Mich würde das Thema genauer interessieren. Hat jemand Erfahrungen wie viel Fläche man pro Rind pro Tag einkalkulieren sollte und wie oft muss ich weitertreiben? Reicht das ein mal pro Tag?
Lg ibek


Manfred
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von Manfred »

Die Frage kommt immer wieder. Leider kann dir das pauschal niemand beantworten.
Beim Holistic Management kommt es hauptsächlich auf deinen eigenen ganzheitlichen Kontext an, also deine Vorstellung davon, wie dein Leben und dein Betrieb (falls ein solcher gewünscht ist) in ferner Zukunft idealerweise einmal aussehen sollen.
Jede Entscheidung wird dann daran gemessen, ob sie mögl. effektiv zu dieser deiner Zukunftsvision hinführt.
Wie möchtest du die Landschaft gestalten? Möchtest du den Boden verbessern oder ausmagern? Möchtest du evtl. optisch besonders attraktiver Tiere mit sehr hoher Leistung des Einzeltieres? Oder einen mögl. hohen Fleisch- oder Milchertrag pro Fläche? Oder einen mögl. hohen finanziellen Gewinn? Oder hat die Biodiversität oder der Erhalt bestimmter Pflanzen oder Tierarten Vorrang? Möchtest du bestimmte Pflanzen verdrängen? Möchtest du einen stehenden Futtervorrat für den Winter aufbauen, oder konserviertes Futter erzeugen/zukaufen? Dann die ganzen Wettereinflüsse, wie Nässe, Dürre, Hitze, Kälte. Das Verhältnis zu Nachbarn und Kunden. Der Äußeren Eindruck. Das aktuelle Wachstumsstadium der Pflanzen. Usw. usw.

HPG zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es keine Fixgrößen und Regeln gibt, sondern dass man Viehbesatz und Management ständig neu überdenkt und anpasst an das, was man erreichen möchte.
Hört sich anfangs deutlich komplizierter an, als es in der Praxis ist. Aber man muss sich halt mal grundlegend einarbeiten, worum es geht und sich überlegen, wohin man sich und seinen Betrieb entwickeln möchte.


Falls es dir nur darum geht, einen mögl. guten Futterertrag zu haben, und du dafür ein Beweidungssystem suchst, das für die meisten mitteleuropäischen Bedingungen gut passt, würde ich dir dazu das Buch "Die Produktivität der Weide" von Voisin empfehlen.
Hier kannst du es dir herunterladen:

https://www.regenerative-landwirtschaft ... f=38&t=322

Voisin war ein wichtiger Ideengeber für Savory. Sein Werk konnte aber nicht direkt auf das spröde Klima im Süden Afrikas übertragen werden.

Auf meinem Mittelgebirgsstandort mit meiner kleinen "Landschaftspflege"-Mutterkuhhaltung ist es mir z.B. wichtig, eine bessere Entlohnung der Produktionsfaktoren (Eigenkapital, Pachtanspruch für Eigenland, Arbeitszeit) zu erreichen. Außerdem möchte ich die mageren Böden durch Humusaufbau verbessern. Dazu kommt die knappe Verfügbarkeit von Arbeitszeit durch meinen Hauptberuf.
Arbeitszeit ist also ein wichtiger Kostenfaktor. Und bei so einer kleinen Herde (aktuell ca. 30 Tiere) ist häufiges Zuteilen von Fläche anteilig je erzeugtem Tier dann teuer. Da gilt es Kompromisse zu finden. Etwas weniger Futterertrag und etwas weniger tierische Leistung können durch die eingesparte Arbeitszeit die Entlohnung der Produktionsfaktoren verbessern.
Den Viehbesatz habe ich in den letzten 3 Jahren auch wegen der Trockenheit (wir haben das 3. Jahr mit deutlich unterdurchschnittlichen Niederschlägen, wobei das letzten Jahr extrem war und dieses nicht viel besser) merklich reduziert.
Von meinem Kosten-Ideal 365 Tage Weide ohne Zufütterung bin ich aber meilenweit entfernt, auch wegen mangelnder Arrondierung und des vorgeschriebenen Mindest-Viehbesatzes für Bio-Futterflächen.
Auch den Maschinenbesatz (gebundenes, unproduktives Kapital) versuche ich zu reduzieren, habe aber leider noch keinen Lohner gefunden, der mir die Heu- und Silageernte zu 100% und zuverlässig erledigt. Mähen und Pressen werden vergeben, aber beim Wenden und Schwaden muss ich doch immer wieder einspringen (also auch die Maschinen vorhalten), weil die Kapazitäten fehlen, und den Ballentransport erledige ich auch noch selbst.
Die Herde wird scharf auf Problemlosigkeit selektiert. Ganzjährige Freilandhaltung mit eingestreutem Unterstand für den Winter. Blockabkalbung im Frühjahr. Die Jungtiere werden selbst bis zur Schlachtreife gehalten und im Spätherbst des Folgejahres geschlachtet, um den Viehbesatz im Winter (Futterbedarf und Trittschäden) mögl. klein zu halten.
Bis vor 2 Jahren hatte ich im Sommer (von den ersten Kalbungen bis nach dem Decken) jeweils eine separate Jungbullenherde. Dann habe ich wieder angefangen zu kastrieren, um alle Tiere (bis auf den Deckbullen in der Zeit kurz nach den ersten Kalbungen bis Deckbeginn) ganzjährig in einer Herde halten zu können, um so die Erholungszeiten für die einzelnen Koppeln zu verlängern.
Ich bastle halt jedes Jahr weiter an meinen Methoden und lerne immer wieder dazu.


ibek
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von ibek »

Ich möchte ähnlich wie du ganzjährige weidehaltung in meiner mutterkuhherde etablieren. Es handelt sich um eine Herde aus 30 Kühen + deckbulle + nachzucht. Nachzucht bleibt ebenfalls bis schlachtreife am Betrieb.
Dabei soll auf der Fläche bodenverbesserung betrieben werden, also ein weiteres Ziel.

Was ich bisher zum holisti Management gelesen habe ist alles sehr theoretisch. Wie ist das in die Praxis umzusetzen? Das fehlt mir. Vielleicht habe ich noch nicht weit genug gelesen.

Es stellen sich halt einige Fragen, zb:
▪︎wie genau erstelle ich meinen ganzheitlichen Kontext für mein leben/meinen Betrieb? Auf was muss man dabei aufpassen? Gibts eine art Checkliste die man durchläuft?
▪︎Entscheidungen werden an diesem zuvor definierten Kontext gemessen. Wie läuft dieser Prozess genau ab?


Eine genaue Beschreibung und praxisbeispiele die das illustrieren, zb von betrieben die das bereits umgesetzt haben, wären sehr hilfreich. Dann könnte man das ummünzen auf seinen eigenen Betrieb. Die Beiträge die ich bis jetzt gelesen habe sind alle sehr theoretisch. Ich verstehe um was es geht. Genau das macht mich so neugierig, ich möchte mehr wissen und vor allem möchte ich es ausprobieren.

Aber ich weiß nicht wie ich anfangen soll. . .


Manfred
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von Manfred »

Wenn du Englisch gut genug verstehst, solltest du als erstes die Bücher von Allan und Jody lesen.

Allan Savory: Holistic Management - a commonsense revolution to restore our environment (das ist die 3., aktuelle Auflage des Grundlagenbuchs)

Und danach
Jody Butterfield (Allans Frau): Holistic Management Handbook, Third Edition.
Das ist ein Arbeitsbuch für Weide-Praktiker, das auf dem Buch von Allan aufbaut.

Im ersten Buch sind u.a. die Erstellung des Kontext und der Entscheidungsfindungsprozess beschrieben.

Auf Deutsch sind diese Bücher bisher leider nicht verfügbar.
Der Einführungskurs auf dem Scheuerhof ist Englisch mit deutscher Übersetzung. Das wäre auch ein guter Einstieg.

Eine Kurzfassung über die Erstellung des Ganzheitlichen Kontext gibt es auch von Sheldon Frith:
http://www.regenerateland.com/how-to-wr ... tep-guide/


ibek
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von ibek »

Danke


Manfred
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Re: Holistic Planned Grazing (Ganzheitlich geplante Beweidung)

Beitrag von Manfred »

Hörenswert:

Der akustische Unterschied zwischen Weideland und Sojafeld:



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