André Voisin - Die Produktivität der Weide

Ganzheitlich geplante Beweidung
Antworten
Manfred
Site Admin
Beiträge: 1784
Registriert: 31.03.2018, 12:46

André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Manfred »

André Voisin war einer der wichtigsten Pioniere des Weidemanagements.
In den 1940er bis 1960er Jahren entwickelte er auf seinem Gutshof in der Normandie ein ausgeklügeltes Rotationsweidesystem, das hohen Futterertrag mit bester Futterqualität verbindet.
Er war einer der Menschen, denen wir die Erkenntnis verdanken, dass Überweidung keine Frage des Viehbesatzes pro Betriebsfläche sondern eine Frage des zeitlichen Managements der Beweidung ist.
Seine Weidemethoden sind heute noch hochaktuell in allen Ländern mit einer halbwegs ausgeglichen Feuchtigkeitsverteilung rund ums Jahr. Viele der in Neusseesland und Südamerika praktiszierten Weidesysteme beruhen auf seinen Überlegungen.
Außerdem war seine Arbeit einer der essentiellen Vorläufer für Allan Savorys Holistic Planed Grazing.

In Deutschland und Frankreich ist Voisin leider weitgehend in Vergessenheit geraten.
Ein Freund von mir hat mehrere seiner Bücher in deutscher Übersetzung ausgegraben und scannen lassen.
Da der Verlag auf telefonisch Nachfrage geäußert hat, keine Unterlagen mehr zu und kein Interesse mehr an diesen alten Büchern zu haben und ich die Erben von Voisins Autorenrechten nicht ermitteln konnte, habe ich mich entschieden, die Bücher als kostenlosen Download verfügbar zu machen. Ich denke es ist im Sinne André Voisins, seine Forschungsergebnisse in die Welt zu tragen.
Sollte sich jemand dadurch in seinen Rechten verletzt sehen, möge er sich bitte bei mir melden. Ich nehme die Dateien dann umgehend aus dem Netz.
Ich würde mich sehr freuen, wenn sich eine Verlang fände, der Voisins Hauptwerk "Die Produktivität der Weide" wieder ins Programm nähme oder wenigstens als Ebook oder Book on Demand verfügbar machen würde.
(Derzeit ist wohl nur der englischsprachige Nachdruck "Grass Productivity", erscheinen bei Island Press, käuflich zu erwerben. Leider konnten die bezüglich der Autorenrechte auch nicht helfen.)

Die Produktivität der Weide (230 MB):
https://www.regenerative-landwirtschaft ... _Weide.pdf

Die Kuh und ihre Weide (30 MB):
https://www.regenerative-landwirtschaft ... _Weide.pdf

Boden und Pflanze (80 MB):
https://www.regenerative-landwirtschaft ... flanze.pdf

Lebendige Grasnarbe (90 MB):
https://www.regenerative-landwirtschaft ... snarbe.pdf


Um euch vorab einige Hintergrundinformation über das Leben und Werk Voisins zu geben, habe ich
den englischsprachigen Wikipedia-Eintrag zu seiner Person übersetzt:

https://en.wikipedia.org/wiki/André_Voisin
(Abgerufen am 29.04.2018)

"André Marcel Voisin (7. Januar 1903 bis 21. Dezember 1964) war ein französischer Biochemiker, Landwirt und Autor. Bekannt wurde er hauptsächlich durch seine Theorie der Rationalen Beweidung (auch als Voisinismus, Voisin-Beweidung oder Rationale Intensive Beweidung bekannt).
Über seine Theorien hielt er in vielen Teilen der Welt Vorträge und Vorlesungen. Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und in diversen Auflagen gedruckt.

Frühes Leben:
Voisin wurde am 7. Januar 1903 in Dieppe, einer Küstengemeinde in der oberen Normandie in Frankreich, geboren. Seine Eltern waren Albert Voisin und Marie Antoinette Legendre, bekannte Landwirte und Gutseigentümer. Ab 1910 besuchte die Jehan Ango Schule in Dieppe und anschließend das renommierte Gymnasium Lycée Louis-le-Grand in Paris.
Seinen Militärdienst leistete er bei der französischen Marine, wo er 1923 den Rang des Leutnants erlangte.
1924 schloss er an der Hochschule für Physik und Chemie in Paris (école supérieure de physique et de chimie industrielles de la ville de Paris) mit einem Diplom in Biochemie ab. Anschließend arbeite Voisin als Ingenieur in der Gummiindustrie, anfänglich in einer Reifenfabrik. Anschließend übernahm er eine Stelle als leitender Ingenieur bei der Firma SIT und entwickelte dort eine Methode zur Effizienzsteigerung in der Produktion.
1936 besuchte er die Universität von Heidelberg, um seine deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern. Er erhielt sein Diplom für eine Arbeit mit dem Titel „Goethe und Frankreich“ und wurde zum Ehrenbürger der Stadt Heidelberg ernannt.

Voisin heiratete Martha Rosine Fernagu 1943 im besetzten Paris.

Militärische Laufbahn:
Bei Kriegsausbruch 1939 kündigte Voisin seine Stelle in der Gummiindustrie um am Krieg teilzunehmen. Zu Beginn war er bei der französischen Marine in Algerien stationiert. 1939 war er an zwei Marinemissionen im Mittelmeer beteiligt und wurde bei der Zweiten schwer verwundet. Nach anfänglicher Behandlung in Algier verbrachte er 4 Monate im Val de Grace Hospital in Paris.
1940 war an diversen Gefechten in Frankreich sowie an der Narvik-Kampagne beteiligt. Vor dem Fall Frankreichs wurde Voisin nach England befohlen. Er überquerte den Ärmelkanal mit einer kleinen Truppe in einer wagemutigen Überfahrt, die mehrere Tage dauerte. In England traf Voisin auf Admiral Thierry d’Argenlieu und wurde zum zweiten Attaché für Admiral Émile Muselier, Leiter der freien französischen Seestreitkräfte, ernannt.
Im Oktober 1940 kehrte Voisin ins besetzte Frankreich zurück, um seinen Familiengut „Le Talou“, ein Anwesen mit 130 ha in Gruchet, südlich von Arques-la-Bataille, zu verwalten. Von 1941 bis 1944 unterstützte er die Resistance durch heimliche Nahrungsmittellieferungen seines Betriebs. Er agierte zudem als Übersetzer für den Bürgermeister Albert Thoumyer im Umgang mit den Nazi-Besatzern. Im März 1943 wurde durch seine Intervention ein Bauer vor dem Erschießungskommando gerettet.
Nach der Befreiung von Paris im August 1944 überließ Voisin La Talou der Obhut seiner Frau und reiste nach Paris um Admiral d’Argenlieu zu treffen. Leutnant Voisin erhielt das Kommando über ein Kontingent Marineinfanteristen und war an diversen Gefechten beteiligt, darunter die kurze aber intensive Schlacht um die Vogesen. In Benfeld wurde er erneut verwundet.
1946 veröffentliche Voisin seine Kriegsmemoiren, basierend auf seinen Kriegstagebüchern, unter dem Titel „A Single Foot on the Earth“. Das Buch wurde vom offiziellen Künstler der Marine, Kommandant Luc-Marie Bayle, illustriert.

Rückkehr zur Landwirtschaft:
Gegen Ende 1945, nachdem er seine Pflicht für sein Vaterland erfüllt hatte, kehrte Voisin zurück nach Gruchet, um dort wieder seiner Leidenschaft für die Landwirtschaft nachzugehen.
Voisin genoss es sehr, seine Rinder beim Grasen zu beobachten. Er bemerkte Unterschiede zwischen den Auswirkungen der Beweidung und der Gewinnung und Fütterung von Heu. Während ein Grasbestand für die Heuernte auf einmal geschnitten wird, wird eine Weide nur so schnell „geschnitten“, wie die Kühe das Futter fressen können. Und während eine Kuh im Stall so viel fressen kann, wie sie will, ohne sich zu bewegen, muss eine Kuh auf der Weide zu ihren bevorzugten Stellen laufen und dort das Gras mit ihren Zähnen Maul für Maul voll abscheren.

Mit der Zeit gelangte er zu der Erkenntnis, dass die bestehenden Theorien zur Beweidung nicht die tatsächlichen Verhältnisse weidender Tiere beschrieben. Im Versuch der wissenschaftlichen Methodik zu folgen, konzentrierten sich die Wissenschaftler entweder auf das Wachstum des Grases (ohne Weidetiere) oder auf die Verfütterung geschnittenen Grases im Stall, aber nur selten auf das Verhalten grasender Rinder auf der Weide. Voisin realisierte, dass diese Beziehung, die er „das Aufeinandertreffen von Kuh und Gras“ nannte, sich fundamental davon unterschied, beide Vorgänge isoliert zu betrachten.

Diese Gegebenheiten führten Voisin zu der Einsicht, dass Zeit ein kritischer Faktor bei der Beweidung ist. Nicht die Zahl der Tiere pro Hektar, sondern die Zeit, für die die Pflanzen den Tieren ausgesetzt sind, ist der bestimmende Faktor für eine Überweidung. Wenn die Tiere zu lange auf einer Fläche bleiben, werden schmackhafte Pflanzen ein zweites Mal abgegrast, bevor sie die Zeit hatten, sich ausreichend vom ersten Grasen zu erholen. Außerdem verhindert wiederholtes Abweiden in kurzen Abständen, dass die Pflanze ihr volles Wachstumspotential ausschöpfen kann, wodurch die Menge an gesammelter und in nutzbares Futter umgewandelter Sonnenenergie reduziert wird.

Die Forschungsarbeit, die Voisin auf seinem Betrieb leistete, begann die Aufmerksamkeit der Wissenschaft zu erregen. Ab 1951 wurde Voisin aus dem In- und Ausland, besonders aus den USA, aber auch aus Großbritannien, Irland und Deutschland eingeladen, um Vorträge zu halten.
1956 wurde er zum außerordentlichen Professor an der Nationalen Tierhaltungsschule in Alfort berufen und war Mitglieder der französischen Akademie für Landwirtschaft.

1954 verzeichnete Voisin während der produktivsten Zeit der Weidesaison (10. Mai bis 23. September) eine effektive Besatzdichte von 5,5 Großvieheinheiten pro Hektar. Vosin gab an, dass sein Besatz vor Beginn der Rationalen Beweidung bei lediglich 1,5 Großvieheinheiten pro Hektar gelegen hätte. Er erreichte also mehr als eine Verdreifachung der Besatzdichte.

Vier Gesetze:
Schließlich entwickelte Voisin seine „vier Gesetze“ für die Rationale Beweidung. Er argumentierte, diese Prinzipien seien universell anwendbar, unabhängig vom Boden, dem Klima, dem Längen- oder Breitengrat.
(Anm.: Heute wissen wir, dass das nur bedingt zutrifft. In Regionen mit sprödem Klima sind seine 4 Gesetze alleine nicht ausreichend für ein gutes Weidemanagement. Trotzdem waren sie ein sehr wichtiger Vorläufer für die Entwicklung des auch in sprödem Klima funktionierenden Holistic Planned Grazing durch Allan Savory.)

Erstes Gesetz:
Damit ein Grasbestand nach dem Abfressen durch die Tiere seine maximale Produktivität erreichen kann, muss eine ausreichend lang Pause zwischen zwei Beweidungsdurchgängen eingehalten werden, um
-in den Wurzeln die notwendigen Reserven für einen schnellen Wiederaustrieb nach der nächsten Beweidung zu sammeln
-die Phase des stärksten Wachstums voll auszunutzen (Anm.: Die Zeit, in der die Pflanze wieder ausreichend Photosynthesefläche für schnelles Wachstum hat, aber noch nicht verholzt/vergreist/untere Blätter welken lässt.)

Zweites Gesetz:
Die Dauer einer Beweidung sollte so kurz sein, dass eine Pflanze, die am ersten Tag der Beweidung abgefressen wird, kein zweites Mal von den Tieren abgefressen wird, bevor diese die Fläche wieder verlassen.

Drittes Gesetz:
Die Tiere mit dem höchsten Nährstoffbedarf müssen mit der höchsten Menge an Gras bestmöglicher Qualität versorgt werden. (Anm.: Wenn mit mehreren Weidegruppen gearbeitet wird, kommen zuerst die Tiere mit dem höchsten Bedarf, z.B. laktierende Kühe, auf die Fläche und können sich das beste Futter herausselektieren. Dann folgen Tiere mit niedrigerem Bedarf, z.B. Färsen & Trockensteher, zum Nachweiden.)

Viertes Gesetz:
Wenn eine Kuh regelmäßige Milcherträge liefern soll, darf sie nicht länger als drei Tage auf derselben Fläche stehen. Der Milchertrag ist maximal, wenn die Tiere nur einen Tag auf der Fläche stehen.
(Anm.: Die Tiere selektieren das beste Futter zuerst heraus. Zudem wird das verbliebene Futter durch Tritt, Kot, Urin etc. verschmutzt. Deshalb sinken mit der Beweidungsdauer die Futterqualität und die Futteraufnahme. Der Pansen der Rinder kann diese schwankende Futterqualität und -Aufnahme über ca. 3 Tage ausmitteln. Danach fällt die Leistung ab. Bleiben die Tiere nur einen Tag auf der Fläche, haben sie die beste Futterversorgung und -Aufnahme und deshalb die höchste Leistung. Inzwischen sind viele Betriebe sogar dazu übergegangen, mehrmals täglich frische Weide zuzuteilen, um die Leistung noch weiter zu steigern.)

Besuch in Kuba und Tod:
Im Juni 1964 erneuerte Fidel Castro seine Einladung an Voisin, an der Universität von Havanna eine Vortragsreihe zum Thema Rationale Beweidung zu halten. Trotz der europäischen Vorbehalte gegenüber Castros kommunistischer Regierung sagte Voisin zu.
Er und seine Frau trafen am 3. Dezember in Kuba ein und wurden von Castro persönlich am Jose Marti Flughafen begrüßt. Anschließend inspizierten sie zusammen mit einer größeren Gruppe Würdenträger eine nahegelegene Farm im Eigentum des Staatschefs.

Die Vortragsserie an der Universität von Havanna begann am 8. Dezember. In seiner Begrüßungsrede stelle Castro fest: In seinen Werken, an all seiner Arbeit, kann man sehen, dass die Gesundheit des Menschen, das Glück des Menschen, das wichtigste Ziel hinter Professor Voisins Schaffen ist. Am 11. Dezember wurde Voisin die Ehrendoktorwürde der Universität Havanna verliehen.

Am 21. Dezember um 3:50 Uhr verstarb Voison durch einen Herzinfarkt in seinem Hotel. Fidel Castro verkündete seinen Tod am selben Abend im Staatsfernsehen. Am nächsten Tag fand in der großen Halle der Universität von Havanna das Staatsbegräbnis statt. Voisin hatte zuvor seiner Frau gegenüber den Wunsch geäußert, dass er, sollte er auf seinen Vortragsreisen im Ausland versterben, im Land seines Todes bestattet werden möchte. Gemäß dieses Wunsches wurde Vosin auf dem Colon Friedhof in Havanna bestattet.

Vermächtnis:
Voison wurde und bleibt eine verehrte Persönlichkeit in Kuba. Die kubanische Regierung erkläre das Jahr 1965 als Hommage an Voisin zum „Jahr der Landwirtschaft“. Zu seinem ersten Todestag wurde eine Sonderbriefmarke herausgegeben.
Martha Voisin entwickelte eine tiefe Zuneigung für Kuba und besuchte es viele Male bis zu ihrem Tod im Jahre 2006 im Alter von 105 Jahren. Sie wurde in Havanna neben ihrem Ehemann bestattet.

Trotz Castros Führsprache für sein Werk und trotz seiner Präsenz an den kubanischen Hochschulen wurden Voisins Methoden von den kubanischen Bauern weitgehend ignoriert, bis diese durch den Zusammenbruch des kommunistischen Binnenmarktes im Jahr 1989, der Kuba in eine drei Jahre andauernde Wirtschaftskriese stürzte, zu einem Wechsel zu weniger input-intensiven Methoden gezwungen wurden.
Der Verlust der Energie- und Chemikalienimporte aus der Sowjetunion erforderte einen Wechsel hin zum biologischen und management-intensivem Agrarmodel, basierend auf den Prinzipien von Voisin. Dieser Wechsel verlief erfolgreich. 1989 war die Landwirtschaft in Kuba noch sehr ähnlich zu der in Kalifornien. 1992 ähnelte sie mehr den Praktiken der amischen Gemeinden. Bis 1995 hat sich die Praxis der städtischen Gärten, speziell der Organoponicos (Biogärten) weit verbreitet.

Seit den 1980er Jahren erhielt Voisins Werk verstärkte Aufmerksamkeit durch englischsprachige Autoren, besonders Allan Nation, Joel Salatin und Allan Savory. Savory ist vermutlich der lautstärkste Verfechter von Voisins Methoden unter westlichen Autoren. Voisins Prinzipien haben wesentlich das von Savory entwickelte Holistic Management beeinflusst. Savory verfasste später ein Vorwort für den 1988 veröffentlichten Nachdruck von „Gras Productivity“ (Anm.: Deutscher Titel: Die Produktivität der Weide).

Obwohl Voisins Werk heute als eines der wesentlichen Fundamente der Permakultur-, Holistic Management- und Grass-Fed Beef-Bewegungen verstanden wird, bleibt er in seinem Heimatland weitgehend unbekannt. Laut seines sozialistischen Landsmannes Gérard Pestrinaux ist er ein politisches Paradoxon: „(Voisin) war kein Mann der Linken, sondern ein klassischer gaullistischer Rechter, und trotzdem liegt er auf dem Friedhof der Helden der kubanischen Revolution begraben.“ "


Fred
Beiträge: 440
Registriert: 22.04.2018, 15:37

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Fred »

Danke für diese interessante Zusammenfassung. Jetzt weis ich endlich, wer dieser "Französische Forscher" ist, auf den Alan Savoury ab und an mal verweist.


Christoph
Beiträge: 36
Registriert: 10.06.2018, 11:06

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Christoph »

Ganz vielen Dank für die Einstellung der Links auf die Scans der deutschen Ausgaben von Voisins Büchern und für die Übersetzung des englischen Wikipediaeintrags zu Andre Voisin.
Ich habe immer wieder im nach deutschen Ausgaben gesucht, konnte aber keine Angebote finden.
Daher habe ich nur die amerikanische Ausgabe von Die Produktivität der Weide gelesen.

Wie ich in https://www.freizahn.de/2016/09/was-wue ... pst-sagen/ geschrieben habe, hat Voisin dem Versuchsgut Rengen, bei Daun in der Eifel, ein Kapitel in Die Produktivität der Weide gewidmet. Voisin war offenbar in Rengen und war mit Prof. Klapp befreundet.
In dem Scan der deutschen Ausgabe habe ich daher gleich nach Prof. Klapp und im Stichwortverzeichnis auch nach "Rengen" gesucht.
Prof. Klapp hat, wie ich nun gesehen habe, das Vorword der deutschen Übersetzung von Die Produktivität der Weide geschrieben.
Klapp wird von Voisin an 13 Stellen erwähnt. Die Domäne Rengen wird auf den Seiten 35f, 150, 209ff, 252f erwähnt. Die "Rengener Versuche" auf Seite 258.
Inzwischen wurde die Domäne Rengen verkauft. Wenn ich heute dort vorbeifahre sehe ich von weitem, das von dem Geist und den Erkenntnissen der Professoren Andre Voisin und Ernst Klapp in der Gegenwart leider nicht viel oder nichts angekommen ist. Vielleicht helfen die Scans von Voisins Büchern etwas diesen traurigen Missstand zu ändern.


Fred
Beiträge: 440
Registriert: 22.04.2018, 15:37

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Fred »

About Domäne Rengen .... http://rengen.net/Domaene-Rengen.htm
Zuletzt geändert von Fred am 20.06.2018, 19:07, insgesamt 1-mal geändert.


Fred
Beiträge: 440
Registriert: 22.04.2018, 15:37

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Fred »

Christoph hat geschrieben: 18.06.2018, 08:58
Wie ich in https://www.freizahn.de/2016/09/was-wue ... pst-sagen/ geschrieben habe, hat Voisin dem Versuchsgut Rengen, bei Daun in der Eifel, ein Kapitel in Die Produktivität der Weide gewidmet.
Dort fällt mir auf: "Joel Salatin nennt für die Polyface Farm 400 Kuhtage pro Acre. Das entspricht 161,7 Kuhtage pro ha.".
Wenn ich für 1 acre = 4046m² und 1ha= 10000m² nehme, passen diese Zahlen für mich nicht zusammen. Gibt es da unterschiedliche Bewertungssysteme ?


Manfred
Site Admin
Beiträge: 1784
Registriert: 31.03.2018, 12:46

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Manfred »

Da hat der Christoph sich wohl in der Hitze des Gefechts beim Umrechnen vertan.
Es wären 10.000 / 4.046 * 400 = 989 Kuhtage, also ca. 2,7 GV/ha und nicht 4.046/10.000*400 = 162 Kuhtage bzw. 0,44 GV/ha.

Letzteres wäre ein niedriger Viehbesatz wie extensive Weidebetriebe ihn haben.
Ersteres ist recht intensives Wirtschaften. Im Biobereich wäre das in D nicht zulässig (max. 2,0 GV/ha).
Aber bei Salatin spielt auch der sehr hohe Nährstoffumsatz durch das Geflügelfutter eine große Rolle. Das lässt sich nicht mir reinen Rinderbetrieben vergleichen.
Ausgehend von extensiver Wirtschaftsweise erreichen aber auch reine Rinderbetriebe oft eine Verdopplung bis Vervierfachung des Viehbesatztes, alleine durch besseres Weidemanagement. Da wären wir dann im Bereich 0,9 bis 1,8 GV/ha.


Christoph
Beiträge: 36
Registriert: 10.06.2018, 11:06

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Christoph »

a hat der Christoph sich wohl in der Hitze des Gefechts beim Umrechnen vertan.
Ja, stimmt.
Die Salatins erreichen also ca. 989 Kuhtage/ha und die Nachbarfarmen 198 Kuhtage/ha.
Das sind aber Weidetage pro Flächeneinheit.
Wenn man diese durch 365 teilt kommt auf 2,7 GVE/ha bei den Salatins bzw. 0,54 GVE/ha bei den Nachbarfarmen. Das stimmt dann aber nur wenn man davon ausgeht, dass auf man nur Rinder hält und dieses nur auf der Weide ist und kein Zufutter erhält.
Die Salatins füttern gut 30 Tage im Winter Heu in einem einfachen Tiefstall, bei dem sie neben Stroh, Holzschnitzeln oder ähnlichem auch Getreide oder/und Mais einstreuen. Das Getreide oder der Mais dienen dabei nur dazu die Schweine zum Umwühlen der Mischung aus Mist und Einstreu zu motivieren. D.h., im Frühjahr, wenn die Kühe wieder auf der Weide sind, kommen Schweine in den Tiefstall. Dadurch das die Schweine nach dem Getreide bzw. Mais wühlen graben sie den Mist um, belüften ihn und sorgen so für die Förderung der Kompostierung.
Ersteres ist recht intensives Wirtschaften. Im Biobereich wäre das in D nicht zulässig (max. 2,0 GV/ha).
Dazu möchte ich hier anmerken, dass so weit ich weiß weder die Farm von Joel Salatin, noch die von Gabe Brown, noch die Singing Frogs Farm von Paul und Elizabeth Kaiser zertifizierte Biobetriebe sind. Außerdem bekommt wohl keine der drei Farmen staatliche Zuschüsse.
Alle drei vermarkten selbst, verdienen damit gut und ersparen sich den Aufwand und die Begrenzungen und Gängelungen, die mit einer Zertifizierung als "Organic", also als "Biobauer", verbunden sind.
Dabei ist die Produktqualität und das Angebot dieser Betriebe scheinbar besser als bei zertifizierten Biobauern. Ich denke da z.B. an Gabe Browns Bild in dem er den Unterschied zwischen einem Ei seiner Farm und dem Ei eines Biobauern zeigt:

Gabe Brown verkauft die Eier seiner Farm für 5 Dollar pro Dutzend. Das sind mehr als 35 Eurocent pro Ei.
Paul Kaiser zeigt in einem seiner Vorträge verheerende Schäden durch Starkregenereignisse bei zertifizierten, aber im Grunde schlecht wirtschaftenden Biobetrieben in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, während sein eigener, nicht zertifizierter Betrieb keinerlei Schäden hatte, 4 mal mehr Singvögel hat als die Nachbarbetriebe und auch ein vielfaches der in der Gegend üblichen Flächenerträge erwirtschaftet.
In der Präsentation "2014 Quivira Conference, Paul Kaiser" ( ), zeigt bzw. erwähnt Paul Kaiser etwa ab Minute 35 und dann nochmal ab ca. Minute 41 zertifizierte Biobetriebe in seiner Nachbarschaft. Besonders für mit Weidebetrieb befasste Landwirt ist das Bild und Paul Kaisers Kommentar an Positioin 41:29 in diesem Vortrag interessant: Der letzte Regen ist im Apri gefallen und das Bild ist im September gemacht. Die Wege mit dem grünen Gras, auf dem das Lama und die Ziegen weiden, werden NICHT bewässert. Lediglich die Beete werden einmal in der Woche eine Stunde per Dripline bewässert - was in dieser Gegend (ca. 80 km nördlich von San Francisco) sehr, sehr wenig ist.


Manfred
Site Admin
Beiträge: 1784
Registriert: 31.03.2018, 12:46

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Manfred »

Ja. Das Problem, dass sich die gesetzlichen Bio-Standards weit vom ursprünglichen Bio-Gedanken entfernt haben, ist hinlänglich bekannt.
Das heutige Standard-Bio beinhaltet im Wesentlichen nur einige Regelungen für die Haltungsbedingungen und den Pflanzenschutz. Ansonsten wird in vielen Betrieben der Kampf gegen die Natur weitergehführt wie vorher, nur mit etwas anderen Mitteln und mit teils verheerender Wirkung auf die Böden und den Wasserhaushalt.
Was manche Biobetriebe darüber hinaus leisten, tun sie freiwillig oder im Rahmen zusätzlicher Auflagen ihrer Verbände.
Und trotzdem, obwohl die Bio-Richtlinien keine Komponenten für Nachhaltigkeit und Bodenschutz enthalten, werden sie von manchen Verbänden und Parteien als die Lösung propagiert.

Aus meiner Sicht (und ich bin Biobauer) ist der ursprüngliche Bio-Begriff dadurch zerstört worden. Die Verbraucher versprechen sich vom EU-Biosiegel etwas, was in der Realität von vielen Bioprodukten nicht annähernd gedeckt wird.

Deshalb würde ich mir auch eine Umstellung der Förderung in der 2. Säule wünschen.
Statt der unsinnigen Trennung in bio und konventionell sollte es einen modularen Baukasten geben, über den sich alle Betriebe die für sie passenden Module in Sachen Tierwohl, regenerative Bewirtschaftung und zusätzliche Umweltleistungen fördern lassen könnten.

Wenn ich sehe, was manche konventionellen Betriebe inzwischen in Sachen Bodenschutz leisten, da könnten sich viele Biobauern eine fette Scheibe von abschneiden.


Christoph
Beiträge: 36
Registriert: 10.06.2018, 11:06

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Christoph »

Deshalb würde ich mir auch eine Umstellung der Förderung in der 2. Säule wünschen.
Statt der unsinnigen Trennung in bio und konventionell sollte es einen modularen Baukasten geben, über den sich alle Betriebe die für sie passenden Module in Sachen Tierwohl, regenerative Bewirtschaftung und zusätzliche Umweltleistungen fördern lassen könnten
Eben, wobei ich mich sogar frage ob eine Förderung der Betriebe überhaupt nötig ist.
Heute morgen habe die 6. Lektion der Kompostteeklasse von Elaine Inghams Onlinekurs angesehen.
Neben dem auch auf Youtube in "Quiz Time with Dr Elaine Ingham: Which has compost tea?" ( ) gezeigten Bild mit dem Rasen, der nach über 2 Monaten ohne Regen dank Komposttee noch grün ist, bringt sie dort auch noch einige andere Versuche. Zusammenfassend kann man sagen, dass man mit der Optimierung der Biologie im Boden und auf den Pflanzenoberflächen per Kompost und Komposttees Erträge, Pflanzenschutzerfolge und zugleich auch Einsparungen an Agrarchemikalien und Tierarztkosten erzielen kann, die konventionell wirtschaftende Landwirte sehr, sehr alt und dumm aussehen lassen.
In einem Beispiel aus Australien, zudem ich im Moment die zugehörige Lektion nicht so genau weiß (gegen Ende der "Life in the Soil Klasse?), zeigt Frau Ingham das Beispiel australischer Milchviehbetriebe, die bei ca. 125 ha Betriebsgröße pro Betrieb ca. 200.000 Dollar einsparen konnten. 200.000 Dollar pro Jahr sind ein ganz hübsches Einkommen, vor allem wenn der Betrieb davor hart an der Verlustgrenze war und sich eigentlich nicht mehr rentierte.
Gabe Browns Beispiel hatte ich auf meiner Webseite schon mehrfach erwähnt. Brown verdient heute richtig Geld. Er erzielt wesentlich höhere Erträge Erträge als der Durchschnitt seines Landkreises, bei wesentlich geringeren Kosten (keine Kunstdünger, keine Pestizide und keine Fungizide und wenn dann nur noch selten und wenig Herbizide). Dazu kommen die zusätzlichen Erträge durch die Mehrfachnutzung der Flächen (z.B. Maisfelder als Heu- und Silage sparende Viehweiden im Winter).
Nach Meinung von Elaine Ingham zeugt ein im Vergleich zu konventionellen Betrieben geringerer Ertrag der Biobetriebe nur davon, dass diese Betriebe ihr Handwerk nicht verstehen. Ein gut geführter, wissenschaftliche Prinzipien und Einsichten beachtender Biobetrieb erzielt wesentlich höhere Ernten als ein durchschnittlicher, konventionell wirtschaftender Betrieb, und das bei sehr viel niedrigeren Betriebskosten.


Manfred
Site Admin
Beiträge: 1784
Registriert: 31.03.2018, 12:46

Re: André Voisin - Die Produktivität der Weide

Beitrag von Manfred »

So einfach ist es dann doch nicht.
Und zudem sind die Flächenstrukturen und die Marktstrukturen dort völlig andere.
Bei uns ist durch die vielen politischen Eingriffe mit Mikromanagement bis ins kleinste Detail alles völlig verzerrt.

Ich kenne bis jetzt weltweit einige wenige Beispiele, wo (weitgehend) biologisch wirtschaftende Betriebe an die Ernteerträge gut wirtschaftender konventioneller Betriebe herankommen. Und das sind alles Betriebe, die schon viele Jahre ins Lernen und den stetigen Aufbau ihrer Böden investiert haben.
Dazu kommt, dass das idR Großbetriebe (für Süddeutsche Maßstäbe) sind, die auch sehr teure Maschinen durch entsprechende Auslastung schnell amortisieren können. Auf dem deutschen Markt gibt z.B. es keine bezahlbare Direktsaattechnik für kleine und mittlere Betriebe. Und die zeitlichen Bewirtschaftungsfenster sind hier viele kürzer als z.B. Gabe Browns Region mit Kontinentalklima.
Und bei denen, die sich an die Umstellung machen, gelingt vieles nicht im ersten Versuch.

Ich denke schon, dass man fördern sollte, zumindest bis es auch in D einen umfangreichen Pool an erfolgreichen Praxisbetrieben und damit das Wissen für eine zügige und mit weniger Lehrgeld belastete Umstellung sowie die nötigen Technik-Zulieferer gibt.

Dein Beispiel aus Australien wird vermutlich der Betrieb sein, vom dem hier ab Seite 49 Bilder zu sehen sind:
https://www.regenerative-landwirtschaft ... nleben.pdf

Das war ja wirklich ein Extremfall, der mit unseren Verhältnissen in keiner Weise vergleichbar ist.
Einer er Hauptkostenpunkte des Betriebes war, dass er fast jede Weide nach der Beweidung neu einsäen musste, weil die Rinder wegen der extrem schlechten Durchwurzelung beim Weiden die Pflanzen mitsamt der Wurzeln ausgerissen hatten.
Der Wirtschaftsdünger aus dem Melkhaus wurde mehr oder minder in Lagunen verklappt und nicht genutzt.
Die Flächen wurden aufwändig bewässert und intensivst mineralisch gedüngt.

Im Vortrag sprach sie davon, dass die Kosten für den Zukauf von Stickstoffdünger durch Abschmelzen des Dünngerzukaufs innerhalb von 3 Jahren auf Null um 200.000 Austalische $ gesenkt wurden.

Das wären bei 120 ha im Jahr pro ha ca. 1065 Euro für Stickstoff. Dafür kannst du ca. 1,7 Tonnen Kalkammonsalpter kaufen, mit 27% N, also ein Zukauf von 460 kg N pro ha und Jahr.
In den Böden dieses Betriebs dürften versickerte Stickstoffreserven für viele, viele Jahre schlummern, die sich die Graspflanzen nach und nach durch bessere Wurzelbildung erschließen können.
Wie sich das langfristig entwickelt, bleibt abzuwarten.

Meine erste HPG-Versuchsparzelle habe ich 2015 angelegt. Da hat sich der Futterertrag zwar gegenüber der Ausgangssituation (fast Dauerstandweide) zwar merklich verbessert, aber an die Futtererträge der Mähwiesen meines konventionellen Feldnachbarn mit Milchvieh und mehrfacher Gülledüngung komme ich noch nicht annähernd heran.


Antworten