Hydrometra = Scheinschwangerschaft

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Annabella
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Registriert: 19.11.2003, 10:48

Hydrometra = Scheinschwangerschaft

Beitrag von Annabella »

Das ist vielleicht interessant für alle, die meinen eine tragende Ziege/ein aus Versehen gedecktes weibliches Lamm zu haben:
Meine Ziege Geli war für ihr Alter etwas klein (sie hat mit 6 Wochen ihre Mutter verloren und blieb einfach in der Entwicklung zurück), und deshalb haben wir sie im Herbst als sie 18 Monate alt war nicht decken lassen, obwohl sie sehr stark gebockt hatte.
Dann kamen Ende Februar die Lämmer der anderen Ziegen zur Welt, Geli zeigte sich denen gegenüber gleichgültig.- Aber irgendwann wurde sie immer dicker- ich dachte, sie ist vielleicht leicht gebläht, von der Weide......- Sie war im Verhalten völlig normal, fraß gut, Verdauung in Ordnung, kein Fieber. Also auch kein Grund zu größerer Sorge.
Aber jeder der sie sah meinte "die ist wohl tragend", was ich mit Sicherheit verneinen konnte. Und wenn man ein Tier täglich sieht, fällt einem eine stetige Zunahme des Umfangs nicht so auf....
Vor einer Woche war ihr aber anzumerken, daß sie sich nicht wohlfühlt- also den TA geholt. Der hörte sie gründlich ab, fragte nach Fressverhalten, und meinte: Luft im Bauch, und mal erst Pansen stimulieren, Appetit anregen. Also Colosan, Nux vomica, appetitanregende Spritze, Laub und Äste füttern.- Es wurde etwas besser, vor allem wenn sie aufstand und wiederkäute. Aber kein wirklicher Fortschritt. Zwei Tage später mit Ziege in Praxis gefahren, weil ich dachte, sie hat vielleicht einen Fetzen Plastik aus dem Heu gefressen ( ich schaue das Heu immer sehr gut durch, aber man kann ja mal was übersehen...) - Nach drei Aufnahmen festgestellt: Gerät kaputt.- Ziege wieder abgehört, Spritzen gegeben....- Leichte Besserung, aber kein wirklicher Fortschritt.- Am Sonntag dann war zu bemerken, daß Geli sich beim Hinlegen vorne hochlagert, um besser atmen zu können- Alarmstufe rot!
Wir haben Geli dann in die Unitierklinik München gebracht (ohne über deren Kompetenz in Sachen Ziegen nachzudenken- es gab keine Alternative), und da wurde mittels Ultraschall festgestellt, daß die Gebärmutter voller Flüssigkeit ist! Schon beim Wiegen dort erschien mir das Gewicht unlogisch.... aber ich dachte leider nicht weiter: eine relativ kleine Ziege mit 54,5 kg deutet auf Flüssigkeitsansammlung hin- hätte ich sie nur vorher schon mal gewogen, dann wären ihr ein paar Tage Leid erspart worden, wenn ich nachgedacht hätte!
Nun, Geli gekam eine Spritze um eine Geburt in Gang zu setzen, und kreislaufstützende Mittel. Denn diese Wassermengen (ca. 10 Liter) haben die Leber weggedrückt, die Lunge, das Herz... vom Pansen war auf dem Ultraschall gar nichts mehr zu sehen, deshalb auch mangelnder Appetit....
Heute Mittwoch soll diese "Wassergeburt" erfolgen.- Ich hoffe, daß Geli alles gut übersteht! Weil die Scheinschwangerschaft ja hormonell entstanden ist, ist es unumgänglich, sie per Hormonen zu beenden....
Diese Scheinschwangerschaften können sich bei Ziegen entwickeln, die schon Lämmer hatten, aber auch bei Jungziegen und Kitzen. Wenn Ihr also Ziegen habt, die schwanger erscheinen, und bei denen eine Bedeckung auf Grund des Alters, oder weil gar kein Bock mitlief, oder auf Grund der Jahreszeit unlogisch erscheint, laßt Ultraschall machen!
Ich werde jedenfalls jede nicht gedeckte Ziege, die zu rundlich wird (ohne zuviel Futter erwischt zu haben) untersuchen lassen- kostet ja nicht die Welt....
Nebenbei bemerkt: die Unitierklinik München /Abt. Wiederkäuer in Oberschleißheim ist sehr bemüht. Weil wenig Erfahrung bei Ziegen, nicht wissend, daß CAE bei Ziegen und MAEDI bei Schafen verwandt sind, war man bereit, meine CAE-sanierte Ziege nicht zu den Schafen zu stellen, sondern in ein Kälberiglu mit kleinem Paddock davor auf der grünen Wiese, bei den Kälbern eben. Überhaupt: die Kühe und Kälber dort werden weinen, wenn sie wieder angebunden daheim im Stall stehen müssen.....


Liebe Grüße,
Katja
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Imi
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Registriert: 27.10.2006, 18:06

Beitrag von Imi »

hallo katja,

kompliment #daumen_hoch*

das hast du super und ausführlich beschrieben, das wird sicher vielen ein guter rat sein.

für mich auch sehr wichtig, dass wenn mal sowas vorkommt, ich in italien in der tierklinik sagen kann : macht doch erst ma n ultraschall.

sie sind da zwar sehr bemüht, haben aber von ziegen wenig ahnung, da da unten kaum ein ziegenbauer das geld hat, seine ziege in der klinik behandeln zu lassen. traurig, aber wahr !

so nun drücken mint ind ich ja schon seit gestern die daumen, sollte ja eigentlich im garten was machen....aber so ohne daumen , kein leichtes unterfangen

;-) hoffe es geht ihr schon besser,

liebe grüsse,

dirk


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Annabella
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Registriert: 19.11.2003, 10:48

Beitrag von Annabella »

Damit Ihr wißt, wie es weiterging:
Geli hat planmäßig eine "Wassergeburt" gehabt. Sie hatte knapp 20 Liter!!!!!!
Flüssigkeit in der Gebärmutter, ich habe den Eimer gesehen. Und heute konnte ich sie abholen. Es ist keine weitere Behandlung erforderlich, sie sollte nur so bald wie möglich gedeckt werden, um eine weitere Scheinschwangerschaft zu verhindern. Die Prognose für eine Trächtigkeit ist dabei nicht schlecht.
Und um dem erhobenen Zeigefinger von wegen "das hättest du doch eher merken müssen" oder "inkompetenter TA" vorzubeugen: es war die erste Hydrometra, die in der Unitierklinik behandelt wurde. Dieses Phänomen ist zwar lehrbuchmäßig bekannt, kommt aber anscheinend nicht allzuhäufig vor.
Deshalb bat mich der TA, der bei der Abholung Dienst hatte zu berichten, wie es mit der Ziege weitergeht, wann sie bockt und gedeckt wird, und ob sie tragend wird und lammt.

Nebenbei: die Ziege war dort bestens untergebracht und versorgt, bekam dreimal am Tag von gewissen TA`s Leckerchen in Form von Apfel oder Karotte, und die Studenten gingen mit ihr spazieren, um sie gleich wieder anzuweiden. Der Tagessatz für die Unterbringung für eine Ziege kostet in der Unitierklinik 0,50 €, sie wird aber wahrscheinlich wie ein Kalb abgerechnet, weil sie ja im Rinderbereich stand - macht grade mal 1,50 €/Tag. Ich kann also nur jedem raten, im Ernstfall eine Ziege dorthin zu stellen, es kostet nicht die Welt und es sind kompetente Fachleute da, die sich rund um die Uhr bemühen und Gedanken machen.


Liebe Grüße,
Katja
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Elise
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Registriert: 21.08.2005, 17:49

Beitrag von Elise »

Hallo Annabella, vielen Dank für die beiden Berichte.

Meine WDE hatte voriges Jahr eine Scheinträchtigkeit. Bei der "Geburt" ging enorm viel Wasser ab.
Das Euter hatte sich in dieser Trächtigkeit nur wenig zurückgebildet. Nach dieser "Geburt" habe ich das Euter ausgemolken, es kam eine milchig-wässrige Flüssigkeit. Das Euter füllte sich wieder und nach ca. 4 Tagen kam Milch. Ich habe sie bis in den Herbst hinein gemolken. Dann wurde sie gedeckt und bekam Drillinge.

Zu erwähnen wäre noch, daß sie über einen Zeitraum von ca. 5 Wochen 5 mal bockig.

Vlg Claudia


Annabella
Beiträge: 1746
Registriert: 19.11.2003, 10:48

Beitrag von Annabella »

Inzwischen habe ich sämtlich Rechnungen von der Behandlung bekommen:
TA-Kosten ca. 50 €, Medikamente und Unterbringung knappe 20 €.
Soweit alles ok, das hätte mich der TA hier vor Ort auch gekostet.
Weniger ok ist, daß Geli im Oktober zwar gebockt hat, aber scheinbar nur ganz kurz: als ich die Ziegen nachmittags auf die Weide brachte zeigte sie noch nichts, aber dann am Abend, als sie wieder in den Stall kamen. Ich dachte, es wäre dann am nächsten Morgen noch Zeit, sie zum Bock zu lassen- da war aber nichts mehr...- Und nun füllt sich ihre Gebärmutter anscheinend wieder mit Wasser, denn sie wird zunehmend dicker!
Eine andere Ziege, die ich wegen nicht-bocken blöderweise habe "anspritzen" lassen (man lernt ja nie aus, in der Pferdezucht war das immer üblich), war 2007 nicht tragend geworden, und hatte dadurch eine Hydrometra entwickelt. Diese Ziege hat die "Wassergeburt" selbst erledigt, hatte dann aber im Herbst 2007 auch Probleme mit dem Tragendwerden, sie hat mehrmals umgebockt. Wir haben sie immer wieder zum Bock gelassen, und ich hoffe, daß sie nun endgültig tragend ist.


Liebe Grüße,
Katja
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Finn

Beitrag von Finn »

sehr interessant. offensichtlich ist es die natürlichste haltungsform den bock ganzjährig dabei zu haben (sofern das organisatorisch machbar ist)und somit auch alle decken zu lassen?!


Pijante
Beiträge: 3
Registriert: 25.01.2008, 13:10

Beitrag von Pijante »

Hallo,
so eine Scheinschwangerschaft kann sich also auch von selbst erledigen. Habe zwei Ziegen, welche beide noch nie nen Bock von nahen gesehen haben, doch die eine war jetzt mehrere Jahre sehr dick. Ihr ging es immer gut und wir haben nichts weiter gemacht da sie sehr gefräsig ist und alles auch hätte Fett sein können.Das komiste ist das sie die ganze Zeit auch eine sehr wässrige Milch gegeben hat. Und seit diesem Herbst ist sie wieder dünner und keine milch mehr. Aber ist das möglich das sich so ne Scheinschwangerschaft über 4 Jahre hinzieht? und wie kann ich vermeiden das sowas wieder passiert? Für nen Bock ist sie mit fast 10 Jahren wohl zu alt.
Danke


Annabella
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Registriert: 19.11.2003, 10:48

Beitrag von Annabella »

Eine Scheinschwangerschaft (mit Wasser im Uterus) kann sich sehr wohl von selbst "erledigen", das hatte ich auch bei einer anderen Ziege. Aber daß die "Schwangerschaft" dann über 4 Jahre geht, kann ich doch nicht glauben! Bei meiner, die es selbst beendet hat, fiel mir nicht nur eines morgens der deutlich weniger dicke Bauch, sondern auch nasse Schwanzhaare und Schenkel auf. Diese Ziege hat dann im Herbst normal gebockt, aber mußte immer wieder nachgedeckt werden über drei Monate.


Liebe Grüße,
Katja
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Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Scheinträchtigkeit bei Ziege und Schaf

Ulrich Bleul, Tierspital Zürich

Die Scheinträchtigkeit bei der Ziege ist eine durch Störungen im Hormonhaushalt bedingte Flüssigkeitsfüllung in der Gebärmutter. Sie kann in der Ziegenzucht zu nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schäden durch das Ausbleiben der Ablammung führen. Durch die Ultraschalluntersuchung kann die Scheinträchtigkeit bereits ab dem 35. Tag nach der Bedeckung sicher festgestellt und mit gutem Erfolg medikamentell behandelt werden.


Annabella
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Beitrag von Annabella »

Liebe Nora, das ist eine Möglichkeit, sofern die Ziege beim Bock war.
Meine war es nicht, ganz sicher nicht! Meine Böcke laufen nicht mit den Ziegen, zu bedeckende Ziegen bekommen ein Separée mit dem jeweiligen Bock! Und die Bocklämmer werden zeitig genug aus der Ziegenherde genommen.


Liebe Grüße,
Katja
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