Moralisches Empfinden bezüglich Schlachtung

Dipla
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Beitrag von Dipla »

Was ist ein großer Bestand? Das sieht wohl jeder für sich anders, ich dachte früher 5 Schafe sind "viel", heute haben wir 15 :-D
Nein, was ich damit sagen will ist, fällt es jemandem der von mir aus 30-40 Tiere einer Rasse hat einfacher sich die Tiere raus zu suchen die geschlachtet werden oder ist es auch für solch Großbestände schwer? Oder liegt es an der Person selbst?
Ich stelle es mir einfach schwerer vor, je kleiner der Bestand ist, solch eine Entscheidung zu treffen.
Daher gibt´s auch die Kuschelfraktion, denke mal mit nur 5 Tieren kämen man kaum auf die Idee regelmäßig zu schlachten, oder?


CBR, ich sehe das etwas zwiegespalten. Ehrlich gesagt kotzt mich sogar der Stempel "Nutztier" an denn das macht sie in meinen Augen zu Tieren zweiter Klasse. Wenn ich mir nur die GOT anschaue.. Nutztier, Liebhabertier, die Kostenpunkte klaffen echt weit auseinander. Da wundert mich nicht daß ein TA "keine Lust" hat einem Schaf das Leben zu retten, er bekommt ja nichts dafür :S
Und wenn ich mir dann die Rechnung für mein Pferd anschaue.. das ist dann wohl nur noch was für Reiche, ein Husten (minimal, ich hab überreagiert) hat mich 200€ gekostet.. nun ja #falsch#


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Ulli
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Beitrag von Ulli »

Hallo Dipla!

Ich habe einen Zuchtstamm von 3 Enten, 1 Erpel und einen Stamm 1/10 + Naxchwuchs bei den Hühnern.

Ich hatte 5 Ziegen,nun nur noch 4..

Mir fällt es nie leicht, zu entscheiden, dass und wann ein Tier gehen muss- selbst wenn es bei einer Henne durch akute Legenot notwendig ist fällt es mir superschwer.
Aber für mich ist es so, dass ich,letztlich im Sinne der gesammten Truppe, Entscheidungen treffen muss- habe letztes Jahr zu lange bei meinen ältesten Erpeln gewartet und dadurch eine Zuchtente verloren.
Zuviele geschlechtsreife Hähne sind auch ganz schlecht für die Hennen, denn immer die rangniederste muss dann leiden.

Bei den Ziegen ist es so, dass ich mich für dieses Jahr gegen Nachwuchs und damit gegen Milch entschieden hatte, weil ich (noch)nicht den Stallplatz habe, um definitiv allen weiblichen Nachwuchs behalten zu können- zudem habe ich noch keinen CAE-Status und hätte daher einen eigenen Bock für eine Ziege anschaffen müssen.. mit den Konsequenzen aus dem noch bestehenden Platzmangel. Für mich moralisch nicht zu vertreten, auch wenn das das Risiko beinhaltet, dass die Neurodermitis meiner Tochter wieder aufflammt- ging bisher ein halbes bis ein 3/4 Jahr nach der letzten Ziegenmilch wieder los.

Bocklämmer MUSS ich schlachten lassen, wenn ich nicht SCHNELL nach der Geburt einen potentiellen Käufer habe- denn ansonsten MUSS ich zur Sicherheit der weiblichen Tiere früh kasztrieren lassen- mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Bei EINER Ziege die lammt ist eine Jungsgruppe nicht nur platzmässig ein Problem..

Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, eine Ziege schlachten zu lassen, die ich länger kenne..
Hennen kriegen ihr Gnadenbrot, solange es ihnen gut geht- da leider bei älteren Hennen eine Legenot vorkommen kann, die sehr schlechte Behandlungsaussichten hat wurden auch schon eine alte und eine sehr junge Henne (viel zu grosses Ei..) geschlachtet.

Ich empfinde es FÜR MICH eher als Nichtwürdigung des Tieres, wenn ich sein gutes Fleisch völlig naturwidrig beerdige.. so wie mene Eltern damals, die den Hahn getötet und eingebuddelt haben.. weil sie sich für den Junghahn als Chef entschieden haben..

So- nun könnt ihr gerne draufhauen, habe mich zu lange damit auseinandergesetzt, um mich davon schocken zu lassen.

LG Ulli


Leben ist gefährlich und endet immer tödlich
Ulli
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Beitrag von Ulli »

Hallo Alex!

Ich schrieb, wenn ich nicht früh weiss, wer sie nimmt muss ich früh kastrieren- mit der Konsequenz, dass sie mit ca 1-2 Jahren geschlachtet werden, denn Frühkastration hat eben negative gesundheitliche Auswirkungen.

Ich hatte mal einen Bock in einer Bockgruppe eingestellt- und habe ihn dann mühsam wieder hochpäppeln müssen, da dort der Blick auf mein Tier relativ oberflächlich war..

Leider bin ich in der Umgebung die einzige Grossziegenhalterin.. zudem habe ich zur Zeit baurechtlich begrenzten Stallplatz und zu wenig Zuchttiere, um eine Trennung artgerecht zu machen.

LG Ulli


Leben ist gefährlich und endet immer tödlich
Ziegentrekking Altmühlfra
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Beitrag von Ziegentrekking Altmühlfra »

Huhu Sonja,

ich habe auch nur einen kleinen Bestand (4 Packziegen und i. d. R. 1-2 Schlachtziegen) und somit einen engen Bezug zu jedem einzelnen Tier (wie gesagt, meine Schlachtziegen werden genauso gehalten und behandelt und haben genauso jede einzelne einen Namen wie meine Packziegen, mit dem einzigen Unterschied, dass sie nicht so intensiv ausgebildet werden wie diese). Aber: Ich halte mir von Anfang an vor Augen (und ziehe das auch konsequent durch), dass z. B. diese Ziege zum essen da ist (ganz unabhängig davon, ob sie sich auch zum packen eignen würde) und diese eine Packziege wird, und so habe ich damit trotz kleinem Bestand kein Problem. Ich würde also nicht unbedingt behaupten, dass es nur an der Größe eines Bestandes liegt, wie leicht/schwer es fällt, eigene Tiere schlachten zu lassen. Viel eher liegt es in meinen Augen wohl auch am Halter selbst, ob/wie er damit umgehen kann.

Edit = Ich meinte natürlich 1-2 Schlachtziegen.
Zuletzt geändert von Ziegentrekking Altmühlfra am 14.02.2013, 16:25, insgesamt 1-mal geändert.


MekMek
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Registriert: 04.10.2011, 16:25

Beitrag von MekMek »

Ich stelle mir gerade vor, ich wäre eine Ziege:
Ich komme auf die Welt. Dann kommt ein zweibeiner. Ich traue ihm nicht, habe Angst vor ihm. Mit der zeit fasse ich Schritt für Schritt Vertrauen zu ihm und lasse ihn näher an mich ran. Ich hab meinen Platz in der Herde, ich fühle mich wohl in der Herde, mache Schabernack und scherze mit anderen Ziegen in meinem Alter. Wenn ich krank bin oder sonst ein wehwechen habe kommt der zweibeiner und hilft, er schneidet meine Klauen, und ich kann wieder besser laufen. Ich habe genug zu fressen und es gibt jeden tag neues zu entdecken.
Eines Tages ist der Zweibeiner anders als sonst. Ich werde plötzlich in einen Hänger verladen und von meiner Herde getrennt. ich bin eine Zeit lang unterwegs, sehe aber kein gras und keine zweige, es gibt nichts u fressen und nichts zu trinken. Ich habe Hunger und schrecklichen Durst, ich bin müde und will mich hinlegen. Ich habe Angst. Schließlich werde ich ausgeladen, werde mit vielen fremden anderen Tieren gesammelt, bin plötzlich in einer neuen unangenehme Umgebung, es riecht nach ichweißnichtwas. Ich habe immer noch Hunger, Durst und Angst. Ich will zu meiner Herde zurück.
Dann treibt ein Fremder mich in einen "fremden Stall" , ich höre wie vor mir eine andere Ziegen um Hilfe schreit und plötzlich verstummt, sehe wie sie leblos zusammenbricht. Ich will weg, sofort, aber der gang ist engt, hinter mir wartet schon die nächste Ziege, ich komme nicht durch. Ich bin gefangen. Ich meckere um Hilfe, hoffe, dass der Zweibeiner aus meiner Herde mir hilft und mich hier rausholt. Schließlich spüre ich einen Dumpfen Schlag und mein meckern hört jäh auf. Ich denke nicht an die zeit, in der ich es schön gehabt haben mag, ich wollte nur weg, warum lässt mich keiner zurück zu meiner Herde, warum hilft mir keiner. Würde ich wissen, was bei einer Schlachtung alles schiefgehen kann, wäre ich wahrscheinlich dankbar dass mein Schlachter zumindest sein Handwerk verstand und nicht beim ersten mal danebengezielt hat..... #bittebitte#


Trisha88
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Registriert: 06.05.2010, 17:00

Beitrag von Trisha88 »

Hallo MekMek, aus deinem Beitrag schliesse ich zwei Dinge: 1. Du schlachtest keine deiner Ziegen. und 2. Du warst auch noch niemals beim Schlachten von Ziegen dabei! Keiner von uns laesst seine Tiere so schlachten!! Ausserdem meine Laemmer haben von Anfang keine Angst vor mir, weil ich mich sofort viel mit ihnen beschaeftige!

LG Sara


ElliBesch
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Registriert: 17.03.2008, 10:35

Beitrag von ElliBesch »

Moin allerseits,

ich finde den Beitrag von MekMek garnicht so abwegig. Ein Beispiel: Ein sehr tierlieber Bauer hier im Umkreis, der seine Rinder weitestgehend artgerecht hält (sie haben es zu Lebzeiten wirklich gut bei ihm- sehen Sonne, dürfen sich draußen frei bewegen, kurzum, eine vorbildliche Bio-Haltung) bringt es nicht übers Herz, seine Tiere selbst zum Schlachter zu führen. Seine Frau hatte das mal anstelle seiner gemacht und kam heulend zurück.

So, wie MekMek es beschreibt, stelle ich mir auch das Empfinden der Tiere vor, die zum Schlachter gebracht werden. Gut, vielleicht haben sie keinen Durst, weil der besorgte Tierhalter Wasser und Leckerchen dabei hat. Und sicher haben viele Tiere dieses Urvertrauen in seine liebenden Besitzer, keine Frage. Aber spätestens am und im Schlachthof merkt, riecht und sieht jedes Tier, dass es ums Sterben geht. Dass man Tieren oftmals diese Sensibilität abspricht, nur- weil sie dann immer noch das Urvertrauen haben, weil der Besitzer danebensteht, als der Bolzenschuß verpasst wird... verstehe ich nicht.

Zurück zu 'meinem' Bauern. Ist er nun ein guter oder ein schlechter Landwirt? Wahnsinn, das Thema belastet mich mittlerweile immer mehr.
Eigentlich wäre es doch am allerbesten, wenn man seine Tiere an Ort und Stelle, in gewohnter Umgebung, in aller Ruhe 'bebolzenschusst'... ( wenn es schon sein muss, weil ich mittlerweile Spaß an veganer Ernährung gefunden habe.../ bin aber trotzdem kein Gutmensch :rolleyes: )

Das Selberschlachten ist wohl aus hygienischen Gründen nicht erlaubt. Übrigens amüsiere ich mich gerade über den Pferdefleischskandal. Hier geht es nicht wirklich um Hygiene, sondern um Moral. Pferde sind zum Reiten da und nicht zum Essen..... #wb# ...oder?

Jo, das sind so meine morgendlichen Gedanken und je älter ich werde, desto dünnhäutiger werde ich. Aber, wie ich eingangs schon schrieb, ich habe Respekt vor all denen, die wirklich bis zum letzten Atemzug ihres ihnen anvertrauten Vier-oder Zweibeiners( Geflügel :-) ) mit dabei sind.

Ich könnte das nicht, außer, ich müsste ein Tier von Qualen erlösen.

Sehr nachdenkliche Grüße!

Elli


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Not being vegan is a mistake. ^^
Dipla
Beiträge: 2752
Registriert: 17.08.2011, 10:14

Beitrag von Dipla »

Irgendwie tut es mir schon fast leid das Thema angestoßen zu haben aber es hatte mich sehr nachdenklich gestimmt und ich merke, einigen von euch geht es da wie mir, andere kommen besser damit klar.
Das mit dem Pferdefleischskandal, da musste ich echt schmunzeln. Nein, nicht weil arme Pferde in der Lasagne landeten sondern weil sich die Menschen so darüber aufregen daß das arme Pferd doch geschlachtet und zu Hackfleisch verarbeitet wurde. In anderen Ländern isst man Meerschweinchen, bei uns Kälber und Lämmer, die sind anscheinend weniger "niedlich" und "Freund" wie Pferd, komische Doppelmoral.
Bei uns wurden, wie irgendwo glaub ich schon mal erwähnt, 2 Böcke geschlachtet, beide im letzten Jahr. Beim einen Bock hatten wir echt Glück, Metzger vor Ort, es ging sehr schnell, ich war überrascht. Beim zweiten Tier mussten wir leider in die Metzgerei, der Kleine saß bei uns im offenen Kofferraum, mümmelte Heu und wärend ich zitternd und heulend in der Ecke stand war der total cool. Ich werde nie vergessen wie entspannt der war, keiner kann mir erzählen daß eine Ziege Heu frisst, sich dann gemütlich in die Ecke packt und widerkäut wenn sie das nicht ist. Der Metzger wollte ihn dann wegbringen, wir sagten er solle es hier machen, der Kleine fühlte sich im Auto augenscheinlich wohl. Es ging schnell, ich weiß nicht mal wie schnell, in einer Sekunde war es vorbei.
Ich bin froh daß wir dabei waren, mein Mann und ich, beide standen wir bei ihm, es war ok. Der Drang jedoch den Kofferaumdeckel inkl Bock wieder zu schließen war verdammt hoch.. mein Mann hätte mich auch nicht daran gehindert.

Letzten Endes hat er das Fleisch gegessen, ein Teil ist an Freunde gegangen, ich bekomm sowas nicht runter. Lieber garkein Fleisch mehr, so albern das nun klingt. Das was keiner meiner Bekannten verstehen kann ist eingetroffen, wenn ich zu nah an den Tieren dran bin und die Anonymität des Fleisches fehlt, dann bekomm ich das nicht mehr runter. Ich sag ja, mein Konsum an Fleisch ist megamäßig gesunken seit wir hier eigene Tiere haben die man essen könnte, ich bin halt ein Weichei und ich finde das ganz ok so *oops*


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Cirkle-B-Ranch

Beitrag von Cirkle-B-Ranch »

hallo dipla,

warum tauscht ihr nicht einfach mit bekannten - euer schlachttier, gegen eines von bekannten -
die genauso hemmungen haben, ihre tiere zu essen - so isst jeder ein fremdes tier .... :-D


gruß CBR


Ulli
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Registriert: 13.03.2008, 07:18

Beitrag von Ulli »

Hallo CBR!

Genau das käme für mich nicht in Frage..

Wenn ICH entscheide, dass ein Tier gehen muss, dann esse ich es auch.. klingt für die meisten wahrscheinlich paradox, aber ist für mich eine Frage des Respekts.

Einzige Einschränkung: habe ich mehr, als ich brauche, gebe ich auch an das Familienumfeld ab.

Ich muss mit meinen Tieren aber auch kein Geld verdienen.. das könnte ich nicht, dafür bin ich zu sehr Weicheio.

LG Ulli


Leben ist gefährlich und endet immer tödlich
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