Diskussion über Vererbungsgesetze

Platz für Ziegen-Themen, die in keine der anderen Rubriken passen ...
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Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Tandgrisner hat geschrieben: du hast recht, es gibt gar keine "Zuchtlinien". Das ist grober Unfug.
Deshalb spricht man ja auch von Bocklinien.

Dieser Irrglaube beruht auf der Annahme, dass der Vater einen größeren genetischen Einfluss auf die Nackommen hat als die Mutter. Das ist natürlich Quatsch, die Gene kommen ja zu gleichen Teilen von beiden Eltern. Auch zur Steuerung der Inzucht ist das Verfahren ungeeignet.
Es ist bedingt geeignet. Man kann, wenn die Namensgebung wirklich konsistent durchgeführt wurde, durch die Bocklinien "rotieren" um eine gewisse genetische Bandbreite zu erhalten.

...Das Ergebnis wäre dann ein Nachkomme, der genetisch den Xern sehr nahe steht, aber immer noch ein Y-Bock ist. Also die völlig falsche Methode.
Vielleicht hilft es zum Verständnis der Linien, sich diese als Abstammungslinien der y-Chromosomen vorzustellen. Nicht mehr und nicht weniger:
wenn xx (Geiss) X xy (Bock), dann entstehen in der Nachkommenschaft wieder xx und xy. Das "y" ist die Determinante für Bock und stammt *immer* vom Vater. Die "x" der Nachkommenschaft stammen sowohl von Vater oder Mutter. Der Bock ist der "Überträger" der Eigenschaften in den eigenen Bestand.

Wenn man Inzucht vermeiden will, muss man auf den gesamten Stammbaum gucken und sehen, inwieweit dort gemeinsame Vorfahren auftauchen. Andererseits darf einen etwas Inzucht auch nicht zu sehr erschrecken. Gerade bei einer Rasse, die aus relativ wenig Tieren besteht und die in ihrer Entwicklung durch einen Flaschenhals von nur wenigen Tieren gegangen ist, ist es nicht zu vermeiden, dass immer etwas Inzucht dabei ist, es wird ja keine Tiere geben, die gar nicht miteinander verwandt sind.


Ich bin mir auch nicht sicher, inwiefern bei Ziegen die Inzucht nicht sogar schon "eingeplant" ist. Es scheint ja durchaus häufiger vorzukommen, dass sich Bocklämmer, direkt nach dem Säugen über ihre Mütter hermachen - in einem Alter in dem man durchaus damit rechnen muss, dass die kleinen Teufel schon geschlechtreif sind.
Es kann natürlich sein, dass in freier Wildbahn bei den Stammformen die Bocklämmer schon viel früher aus der Herde vertrieben werden und nicht von der Mutter, sondern quasi vom Vater "abgesetzt" werden. Und diese Inzucht quasi eine Zivilisationskrankheit ist.

Gruss,
Michael


Tandgrisner
Beiträge: 140
Registriert: 18.09.2006, 21:41

Beitrag von Tandgrisner »

Hallo Michael,

ich gebe dir teilweise recht, aber nur teilweise.

Das mit den y-Chromosomen ist natürlich richtig. Aber die haben eben nur Böcke. Für die Milchziege Thüringer Wald Ziege ist das also schon mal weniger wichtig. Aber auch sonst kann man von dem Y-Chromosom nicht viel erwarten, es hat vor allem Gene mit Schalterfunktion, die die Entwicklung zum Bock beim Embryo anschalten.
Daneben gibt es auch genetische Informationen, die nur von der Mutter auf die Nachkommen übertragen werden, in den Mitochondrien, aber auch die sind mehr als interessante Nachweise der Abstammung als für die normalen Eigenschaften der Tiere interessant, die wir züchten.

Vielleicht hat mal in einer Zeit, als viele Ziegenzüchter des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren so etwas wie diese Vorstellung von Bocklinien seine Berechtigung gehabt, heute haben wir Herdbuchzüchter Stammtafeln mit allen Großeltern, das ist sicher informativer. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dieses mit diesen Bocklinien (oder auch diesen Hengstlinien bei den Pferdezüchtern) ist ein ignorantes Relikt aus der Zeit, wo man weder die Mendelschen Gesetze kannte noch die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Wo ich dir uneingeschränkt recht gebe ist das mit dem nicht Überbewerten von Inzucht generell. In der ein paar Tausend Jahre langen Haustierhaltung von Ziegen hat es sicher immer wieder massiv Inzucht gegeben. So manches Bockkitz wurde zum Decken der Mutter verwendet, wenn gerade kein anderer Bock greifbar war, und so mancher Bock hat seine Tochter gedeckt. Und trat oder tritt mal ein Kitz mit Inzuchtschäden auf, so ist das bald in der Küche verschwunden. Auf diese Weise verschwinden dann auch langsam die Allele, die die Inzuchtschäden erzeugen, aus der Population. Und bei den Rassen mit nur geringer Individuenzahl lässt sich Inzucht ja auch nicht vermeiden.


Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Tandgrisner hat geschrieben: ich gebe dir teilweise recht, aber nur teilweise.
Das kannste doch nicht so sagen, das tut mir doch auch weh...
Das mit den y-Chromosomen ist natürlich richtig. Aber die haben eben nur Böcke. Für die Milchziege Thüringer Wald Ziege ist das also schon mal weniger wichtig. Aber auch sonst kann man von dem Y-Chromosom nicht viel erwarten, es hat vor allem Gene mit Schalterfunktion, die die Entwicklung zum Bock beim Embryo anschalten.
Männer werden leider in der Zucht immer überbewertet, zum Glück liest hier kein Weibsvolk mit...nicht auszudenken, wenn von "denen" das jemand mitkriegt...
Aber ich bleibe dabei: ein Bock ist die einzige Möglichkeit, maternale "x" eines anderen Stammes in den eigenen Stamm "flächig" <h> einzubringen. Die Bocklämmer ihrerseits tragen das paternale y weiter und das x des Mutterstamms.
Daneben gibt es auch genetische Informationen, die nur von der Mutter auf die Nachkommen übertragen werden, in den Mitochondrien, aber auch die sind mehr als interessante Nachweise der Abstammung als für die normalen Eigenschaften der Tiere interessant, die wir züchten.
Da muss ich Dir recht geben. Aber nur teilweise:
Es gibt tatsächlich auch mitochondriale Vererbung von mitochondrialer DNA vom Vater, allerdings extremst selten - und man weiss immer noch nicht genau, wie das funktionieren soll. Zugegebenerweise eine arg akademische Betrachtung - die Praxisrelevanz hier dürfte gegen Null gehen :-)
Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dieses mit diesen Bocklinien (oder auch diesen Hengstlinien bei den Pferdezüchtern) ist ein ignorantes Relikt aus der Zeit, wo man weder die Mendelschen Gesetze kannte noch die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Die "Glorifizierung" sicherlich. Früher dachte man ja auch, dass weibliche Zuchttiere für immer verdorben sind, wenn sie durch ein minderwertiges Männchen gedeckt wurden...
Aber nachdem parthenogenetische Ziegen eher selten sind, gehts ohne Böcke nu mal nicht.
Mit einem Spitzenbock kann man aus einer miesen Mutterlinie keine Wunder rauskitzeln, allerdings sind dann durchaus auch mal sehr schöne Tiere dabei - wie deren Nachkommenschaft dann aussieht, bleibt spannend. Umgekehrt ist es nicht anders.
Aber wir stimmen ja wohl überein, dass Bocklinie und Mutterlinie mit gesundem Menschenverstand und nicht nur nach Papierform ausgewählt werden müssen. Wenn ich bestimmte Eigenschaften meiner Geissen in den Nachkommen verankert haben möchte, wie eine bestimmte Schulterhöhe/Rahmen werde ich sicherlich keinen TWZ-Bock auswählen, der bis auf die Farbe eher einer Zwergziege ähnelt. #jubel#
Wenn ich einen Mutterstamm habe, bei dem zu viel Toggenburger durchschlägt, werde ich sicherlich keinen Bock wählen, der genauso aussieht.
Du merkst, auf was ich hinauswill: die Papier-Abstammung (Genotyp) ist die eine Sache, das Aussehen des Elterntiers, seiner Eltern und Grosseltern (Phänotyp) eine andere.
Beides muss passen.

Grüsse aus dem sonnigen Rheinhessen,
Michael


Tandgrisner
Beiträge: 140
Registriert: 18.09.2006, 21:41

Beitrag von Tandgrisner »

Hallo Michael

ich will dir doch nicht weh tun.

Eigentlich denke ich, dass wir in recht ähnlichen Bahnen denken, der Rest ist nur sachliche Diskussion.

Beste Grüße aus dem manchmal etwas nebligen Südniedersachsen.

Andreas


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