Spaziergang mit Ziegen

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Goißapeter

Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von Goißapeter »

Hallo Ihr !
Wie kriegt ihr eigentlich eure Ziegen dazu,dass sie beim Spaziergang mitlaufen ? Unser jetzt 10 Mon. altes Böcklein lässt sich Halfter und Leine anlegen,läuft dann auch ein paar Meter,bleibt dann aber je nach Laune einfach stehen,bzw.läuft nur den Weg den er will.Auch Leckerlies helfen nicht wirklich weiter....klar,es braucht sicher auch viel Geduld...oder ist er einfach noch zu klein ? Gibt sich das evtl. noch mit zunehmendem Alter ? Wer hat damit Erfahrung und könnte uns Tipps dazu geben wir wir das am besten angehen könnten......wir würden uns sehr freuen, wenn wir ihn irgendwann zum Spaziergang mitnehmen könnten....
Danke schon mal...Gruß...Peter


sanhestar
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Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von sanhestar »

Hallo,

muss er bei den Spaziergängen von einer Herde weg? Wie stark ist seine Bindung zu euch? Was macht ihr, wenn er stehenbleibt (ausser, ihn mit Leckerli's weiterlocken, was es nicht unbedingt "bringt")?


Sabine M.H.
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Goißapeter

Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von Goißapeter »

Hallo !
Ja,er muss da von den anderen 3 weg unter denen auch seine Mama ist. Ich würde sagen die Bindung ist nicht schlecht,wir haben ihn überwiegend mit der Flasche aufgezogen.
Wenn er stehenbleibt zupfen wir etwas am Führstrick, mit zurufen "komm". Manchmal kann auch Anschieben helfen, aber wenn er störrisch ist hat man wirklich schlechte Karten, ihn wieder in Bewegung zu setzen. Das Locken mit Leckerlis bringt meistens nichts, er bleibt dann hartnäckig stehen und probiert aus, ob er das Leckerli vielleicht mit der Zunge erreichen kann. Wenn dann wirklich gar nichts geht, führen wir ihn zurück. Und zurück bei der "Herde "gibt es natürlich auch KEIN Leckerli.
Wir haben ihn aber auch schon mal mit dem Hänger ein Stück weggebracht und sind dann mit ihm spazieren gegangen. In diesem Fall weicht die Sturheit einer Unsicherheit. Dann bleibt er stehen um zu lauschen oder sich umzusehen, nicht wie sonst aus Unwilligkeit.
Gruß, Peter


sanhestar
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Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von sanhestar »

Hallo,

und nur er soll eine Arbeitsziege werden?

Aus meiner Erfahrung habt ihr schlechte Karten. Warum?

- ein Einzeltier geht immer schlecht mit Menschen mit, wenn eine Herde auf es wartet. Schon zwei Tiere, die zusammen laufen, machen es einfacher

- ihr habt ihm jetzt schon mehrmals gezeigt, dass er die Situation "aussitzen" kann durch eure halbherzigen Versuche, ihn vom Fleck zu bekommen.

Wie ihr schon bemerkt habt, sind Leckerli keine Motivation gegen Herdentrieb. Anschieben ist - sorry für das harte Wort - absoluter Quatsch - Druck wird mit Gegendruck beantwortet. Zupfen am Strick hilft auch nicht, vor allem, wenn er nicht vorher bereits gelernt hat, dass er sich dem Strick NIE widersetzen kann und der Strick/Mensch immer gewinnt. Er lernt, dass Ziege gewinnt, wenn er nur lange genug durchhält.

Folgende Optionen stehen euch offen:

- trainiert eine zweite Ziege, ebenfalls mitzulaufen - meiner Meinung nach die einfachere und mit mehr Erfolgsaussichten belegte Option

- ihr beginnt nochmals ein gründliches Führtraining: erst auf dem Hof und dann schrittweise steigernd vom Hof/Herde weg, bei dem immer der Mensch entscheidet, wie weit und wohin gegangen wird, nicht der Bock. Hilfsmittel, die hier zum Einsatz kommen könnten sind Halfter und "Komm-mit-Strick". Und vor allem musst ihr lernen, wie man ein Jungtier korrekt geführt werden lehrt. Nach meiner Erfahrung wird das aber zäh und wenig Freude bringend bleiben.


Sabine M.H.
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sanhestar
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Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von sanhestar »

Nachtrag:

es ist in keinem Fall Sturheit, sondern Selbsterhaltungstrieb, der ihn nicht alleine mitgehen lässt.


Sabine M.H.
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Der Hirte

Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von Der Hirte »

Sehr gut beschrieben von Sabine! Wenn Ihr Euch daran haltet, müßte es klappen. Vorraussetzung ist, wie schon gesagt, unbedingte Konsequenz: Sich lieber kleine Schritte als Lern-/Dressureinheiten vornehmen, diese aber in jedem Fall immer bis zum Ende durchführen. Niemals mittendrin abbrechen!
Nicht einverstanden bin ich mit der Darstellung des Selbsterhaltungstriebs. Einen so verstandenen Selbsterhaltungstrieb gibt es bei Tieren in dem Zusammenhang nicht. Es gibt den Nahrungstrieb, den (hier entscheidenden) Herdentrieb u.a. - die alle zusammen die Selbsterhaltungsfunktion bilden.
Beim gegebenen Beispiel verhält es sich sicher so, wie Sabine das ganz richtig beschreibt. Trotzdem will ich für meinen Teil darauf hinweisen, daß ich mit der Anführung der diversen Triebveranlagungen keinesfalls den Eindruck vermitteln möchte, Tiere und deren Verhalten seien einfach das Produkt und die Funktion von Triebabläufen in der Art einer biologischen Maschine. Ganz gewiß steht die Beachtung der natürlichen Verhaltensweisen, wie etwa dem Herdentrieb, an allererster Stelle, wenn es darum geht, einem Tier etwas beizubringen - aber es gibt eben auch individuelle Verhaltenseigenarten, gerade bei hochentwickelten Tieren, die nicht einfach auf eine Funktion etwa des Herdentriebs zu reduzieren sind, sondern die durchaus den eigenständigen Wert einer tatsächlichen Sturheit aufweisen. Einer "Sturheit an sich", wie man das nennen könnte.

Grüße aus Portugal!

Richard


sanhestar
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Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von sanhestar »

Hallo Richard,

ein 10 Monate altes Weidetier entfernt sich nicht selbstständig von seiner Herde - es wird dann nämlich ganz schnell Futter für einen Beutegreifer. Nicht mal ein ausgewachsenes Herdentier tut das ohne guten Grund (meist Krankheit oder Vertreibung aus der Herde) und muss in der Obhut von Menschen, wenn dies von ihm verlangt wird, darauf vorbereitet werden und in kleinen Schritten lernen, dass "Mensch" die Herde zeitweilig ersetzen kann.


Sabine M.H.
http://www.working-goats.de Pack- und Fahrziegen
Goißapeter

Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von Goißapeter »

Hallo !
Habs befürchtet,daß das eben alles nicht so einfach ist.Anschieben war jetzt vielleicht auch nicht das passende Wort,eher ein antatschen aber wohl genauso falsch,deshalb fragen wir ja.
Was ist denn ein Komm-mit-Strick ?
Und wie/wo lernt man wie man ein Jungtier geführt werden lehrt ?


sanhestar
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Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von sanhestar »

das ist das Prinzip eines "komm-mit-Stricks"

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oder Du verwendest ein Körperseil

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.working-goats.de/images/koer ... pg</a><!-- m -->

Das Körperseil macht mehr Sinn, wenn er neben Dir hergehen soll. Du kannst an der Überkreuzungsstelle hineinfassen und in entweder nach vorne oder hinten begrenzen und auch "mitnehmen", wobei das Grundprinzip, bei beiden Ansätzen, folgendes ist, dass bei mitgehen, in den Zug hineintreten durch das Tier SOFORT der Zug nachgelassen wird als Bestätigung für korrektes Verhalten, also kein Dauerzug am Hilfsseil.

Führtraining sinnvoll aufbauen lernen kann man u.a. in Büchern über Fohlen-/Jungpferdeausbildung nachlesen, da ist einiges auf dem Markt, evtl. mal in einer Bücherei oder Buchhandlung reinschnuppern, was Dir so liegt. Ich werde in der neuen Auflage von "Leichtfüssige Helfer" da auch noch mehr im Detail drauf eingehen.

Leckerli als BESTÄTIGUNG korrekten Verhaltens sind eine Möglichkeit, LOCKEN ist witzlos. Und vor allem ist es witzlos, einer Ziegen das Leckerli bei der Rückkehr der Herde vorzuenthalten mit der Begründung, dass er sich auf dem Spaziergang unkooperativ verhalten hat. Die Rückkehr zur Herde ist die grösste Belohnung überhaupt, und in diesem Fall wurde das unkooperative Verhalten mit einem Jackpot bestätigt. Nutze das in Zukunft, Du hast eine enorme "Bestechungsgabe" zu Deiner Verfügung: kurze Spaziergänge, geringe Anforderungen. Wenn er willig mitgelaufen ist, ohne Umwege direkt nach Hause, zurück zur Herde. Lieber - am Wochenende - 2 oder 3x kurz rausgehen und ihn immer nach einer kooperativen Zusammenarbeit zurückkommen lassen, als einmal pro Woche nach einem "stundenlangen" Zerrspiel ihm die Bestätigung zu geben, dass er nur lange genug ausharren muss, um wieder seinen Jackpot zu erhalten. Es muss ihm in Fleisch und Blut übergehen, dass er immer nach Hause zurückkommt, dann kann man die Zeiträume und Entfernungen ausbauen. Und, dass er nur nach Hause zurückkommt, wenn er kooperiert hat (deswegen die Trainingseinheit vorausschauend so aufbauen, dass er garnicht erst in eine Situation kommt, in der er unkooperativ wird). Aufgrund seiner jetzigen Erfahrung wird es eine Zeitlang zu sog. "Löschungstrotz" kommen d.h. das ungewünschte, unkooperative Verhalten wird sich noch verstärkt zeigen, bis es durch kooperatives Verhalten ersetzt wird (WENN letzteres mehr Erfolg hat als das unkooperative Verhalten). Beschäftige Dich bei dieser Gelegenheit auch mal mit Lernverhalten (findet mal viel bei Clickertraining dazu).

Antatschen im Sinn von "zum gehen auffordern" kann durchaus Sinn machen, WENN man es richtig macht = touchieren - Pferdetrainer arbeiten sehr viel mit dieser Hilfe.


Sabine M.H.
http://www.working-goats.de Pack- und Fahrziegen
Der Hirte

Re: Spaziergang mit Ziegen

Beitrag von Der Hirte »

sanhestar hat geschrieben:ein 10 Monate altes Weidetier entfernt sich nicht selbstständig von seiner Herde... etc.
Genau so liegen die Verhältnisse bei Wildtieren und damit bei der wilden Stammform unserer Hausziege - was wir beim Umgang mit ihr immer in Rechnung stellen müssen. Deshalb schrieb ich auch, daß Du die Zusammenhänge sehr richtig geschildert hast!
Die anderen Ausführungen betrafen allgemeine Erwägungen hinsichtlich der Hypothese eines "Selbsterhaltungstriebes" als solchen sowie meine Einschätzung, daß gerade bei hochentwickelten Tieren Verhaltensweisen auftreten können, die nicht nur deutlich individuelle Züge zeigen, sondern die sich auch nicht immer vereinfachend schematisch auf eng umrissene Ursachen wie etwa den Herdentrieb etc. reduzieren lassen. Konkret schrieb ich von meiner Überzeugung, daß ein Tier in bestimmten Situationen durchaus auch "stur" sein kann - weil es eben in dem Moment "stur sein will". Und zwar ohne daß das sinnvoll mit einem Verhaltenserfordernis des Wildlebens in Zusammenhang zu bringen wäre. (Damit meine ich nicht den hier behandelten Fall mit der Ziege, die nicht spazierengehen will. Die sträubt sich tatsächlich, von der Herde getrennt zu werden.)
Wir dürfen die Möglichkeiten, auch die zu geradezu individualisiertem Verhalten bei hochentwickelten Tieren, nicht unterschätzen. Selbst wenn uns das mitunter das Eingeständnis abverlangt, vor einem Rätsel zu stehen und damit unser Bedürfnis verletzt, zu allem sofort mit einer Antwort zur Stelle sein zu können. Von meiner beruflichen Erfahrung her weiß ich nur zu gut, daß es gerade Wissenschaftlern oft sehr, sehr schwer fällt, den Tatsachen entsprechend zu sagen: "Das weiß ich nicht!". Um das nicht zugeben zu müssen, wird dann eben eine Antwort präsentiert, wenn auch eine aus dem Hut gezauberte. Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Richtig schlimm wird es dann, wenn der betreffende Wissenschaftler hinfort in Zugzwang gerät und deshalb den Drang entwickelt, nicht mehr nach der "Wahrheit" (ein heikler, direkt unwissenschaftlicher Begriff) zu forschen, sondern seine Forschung so anzulegen, daß er zu gewünschten Ergebnissen kommt - zu solchen, die er braucht, um das bestätigen zu können, was er gesagt hatte, um nicht sagen zu müssen: "Das weiß ich nicht".
Wie gesagt sind das grundsätzliche Erwägungen. Und jetzt viel ausführlicher geworden, als ich es vorhatte. Sie betreffen ganz ausdrücklich nicht das, was Du zum Fall von Peters Ziege geschrieben hast - denn Deine Feststellungen dazu sind meiner Ansicht nach völlig richtig und zutreffend, wie auch Deine Vorschläge zum diesbezüglichen Umgang mit der Ziege.

Grüße aus Portugal!

Richard


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