Sterilisation statt Kastration

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Abra K.

Sterilisation statt Kastration

Beitrag von Abra K. »

#gitarre#

Denjenigen, die mit meiner romantisch-idealistischen Ader nix anfangen können, empfehle ich, diesen Thread zu ignorieren.

Zur Vorgeschichte: Eigentlich wollte ich keinen eigenen, sondern einen Leihbock, der meine drei Mädels einmalig beglückt und anschliessend retourniert werden kann. Da trotz intensiver Suche in der näheren Umgebung jedoch kein Bock aufzutreiben war, der zu den Mädels gepasst hätte, entschied ich mich dafür, einen jungen Bock zu kaufen, ihn nach erfolgter Beglückung kastrieren zu lassen und in der wachsenden Herde zu belassen.

Warum auch nicht? Kastraten sind offenbar die geeignetsten Hobby-Ziegen: sie stinken nicht, sind umgänglicher und verschmuster als Zicken und entgegen aller Unkenrufe ist es durchaus möglich, Kastraten und Zicken problemlos in ein und derselben glücklichen Herde zu halten.

Womit ich nicht gerechnet hatte, ist, dass es mir höllisch schwer fallen oder gar unmöglich sein könnte, einen knapp 9 Monate alten Bock kastrieren zu lassen und somit drastisch in seine natürliche Entwicklung (körperlich & seelisch) einzugreifen -- Gestank und Umgänglichkeit und Kuschelpotential hin oder her.

Da sich nun also ein intakter und offensichtlich fruchtbarer Bock in meiner Ziegenfamilie befindet, der ab Mitte Januar nicht mehr zeugen d.h. seine Haremsdamen nach dem Ablammen nicht gleich wieder decken und auch seine weiblichen Nachkommen später nicht beglücken soll -- was tun, wenn eine Kastration nicht in Frage kommt?

Ich hab alles Mögliche und Unmögliche in Betracht gezogen, von der Bockschürze über einen Verkauf oder ein saisonales Ausleihen als Zuchtbock bis hin zur eigenen kleinen Herdbuchzucht, konnte aber letztlich keiner einzigen Option mit Verstand UND Herz zustimmen -- bis auf eine einzige Ausnahme: Sterilisation statt Kastration.

Eine Sterilisation ist im Vergleich zur Kastration (egal ob mit Zange oder blutig) ein relativ kleiner Eingriff, der unter lokaler Betäubung und leichter bis mittlerer Sedierung vorgenommen werden kann, denn da wird nix abgequetscht und auch nix amputiert: ein kleiner Schnitt von 1 bis 1½ cm Länge, Samenstränge durchtrennen bzw. ein kleines Stück rausschneiden, Enden veröden, Schnittchen mit drei oder vier Stichen zunähen, fertig.

Eine Sterilisation belässt dem Bock die natürliche Hormonproduktion und somit sein ungestörtes Wachstum, sowohl körperlich (Beispiel Harnröhre => spätere Harnsteinproblematik) als auch vom Wesen her.

Dionysos hat sich in der kurzen Zeit, die er bei uns ist, schon prächtig entwickelt; auf dem ersten Bild sieht man ihn Mitte August am Tag seiner Ankunft im Alter von 4½ Monaten, auf dem zweiten Bild Anfang Dezember im Alter von rund 8 Monaten:

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Ich finde ihn sowohl vom Äusseren wie auch von seinem Wesen her schlicht und einfach wundervoll und möchte ihm die Chance lassen, sich weiterhin möglichst natürlich entwickeln zu können.

Ich hab mir die Entscheidung alles andere als einfach gemacht und bin wochenlang zwischen allen möglichen und umöglichen Optionen geschwankt, bis ich die Entscheidung letztlich davon abhängig gemacht habe, ob sich überhaupt ein TA in der näheren Umgebung finden lässt, der bereit ist, eine Sterilisation vorzunehmen -- und siehe da: Ich hab tatsächlich einen gefunden, muss den Bock allerdings in seine Praxis bringen, was ich eigentlich vermeiden wollte, nun aber doch akzeptabel finde, da die Fahrt lediglich knappe 10 Minuten dauert. Der Eingriff wird am 18. Dezember vorgenommen.

Davon, wie sich die Entwicklung des sterilisierten Bockes auf die Mädels und insgesamt auf die ganze (wachsende) Herde auswirken könnte, hab ich keine Ahnung -- gewisse Vorstellungen schon, aber kein erprobtes/verlässliches Wissen, da keinerlei Erfahrung mit einer solchen Konstellation, und ich habe bislang auch keinen einzigen Ziegenhalter ausfindig machen können, der entsprechende eigene Erfahrungen gemacht hat.

Das ist nun auch der Grund, warum ich diesen Thread eröffne und in regelmässigen Abständen von der Entwicklung des Bockes und der gesamten Herde berichten möchte: eine "Feldstudie" im eigenen Interesse, die evtl. auch für andere Ziegenhalter, die mit ihren Tieren unkonventionelle Wege gehen möchten, interessant sein könnte.

#gitarre#


ElliBesch
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Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von ElliBesch »

Abra K. hat geschrieben: Eine Sterilisation ist im Vergleich zur Kastration (egal ob mit Zange oder blutig) ein relativ kleiner Eingriff, der unter lokaler Betäubung und leichter bis mittlerer Sedierung vorgenommen werden kann, denn da wird nix abgequetscht und auch nix amputiert: ein kleiner Schnitt von 1 bis 1½ cm Länge, Samenstränge durchtrennen bzw. ein kleines Stück rausschneiden, Enden veröden, Schnittchen mit drei oder vier Stichen zunähen, fertig.
Liebe Abra,

betrachte mich als neutrale Leserin Deiner Abhandlung. :-)
Ich bin medizinisch nicht versiert, wie man weiß, aber eine Frage brennt mir förmlich auf der Tastatur: Wenn die Sterilisation so einfach, schnell und scheinbar unkompliziert ist( dies Gefühl vermittelst Du mir, wenn ich Deinen Beitrag lese), warum ist dies nicht das Mittel der Wahl, wenn es um das 'Entmannen', bzw. die Zeugungsunfähigkeitsmachung bei Ziegen geht? Da wird ständig über blutige/unblutige Kastration diskutiert, die Risiken, Nebenwirkungen erläutert ....und Niemand mag sterilisieren?
Was sagt denn Dein neuer TA über mögliche Komplikationen? Mich interessiert das Thema brennend, denn ich habe mich in meine beiden Mönche verliebt und meine Ziegendamen auch...
....und würde immer nur Mönche in mein Gehege lassen... *oops*

Mit Bitte um weitere Infos

und lieben Grüßen!

Elli&Co


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Not being vegan is a mistake. ^^
sanhestar
Beiträge: 8258
Registriert: 17.03.2003, 11:56

Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von sanhestar »

ElliBesch hat geschrieben: ....und würde immer nur Mönche in mein Gehege lassen... *oops*
Hallo Elli,

das Problem ist nur, dass die Sterilisation aus einem Bock keinen Mönch macht, nur einen zeugungsunfähigen Bock mit Geschlechtshormonen.


Sabine M.H.
http://www.working-goats.de Pack- und Fahrziegen
Knuschbel
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Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von Knuschbel »

Hallo Abra,

was mich auch interessieren würde ist der Verbleib der Hoden im Hodensack.

Meinem Böckchen von März d. J. steht die Kastration auch noch bevor, kann kein Bock bleiben, da Mutter, Schwester und Halbgeschwister in der Herde. Ich habe mit meinem TA dementsprechend schon Gespräche geführt bezgl. blutiger Kastration oder evtl. Zangenkastration. Rat des TA blutige Kastration, da über die Risiken der verbleibenden Hoden wohl keine Erfahrungswerte vorliegen (evtl. Entartungen etc.) Zangenkastration wird wohl häufig bei Schlachttieren durchgeführt die nicht lange leben. Da das Böckchen aber ein möglichst langes und gesunden Leben führen soll, soll er erst noch schön wachsen (wg. Harnsteinen) und wird dann blutig kastriert.

Wäre im Fall der Sterilisation ja auch die Problematik der verbleibenden Hoden oder liege ich da falsch. #ka#

Liebe Grüße
Knuschbel


ElliBesch
Beiträge: 3694
Registriert: 17.03.2008, 10:35

Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von ElliBesch »

sanhestar hat geschrieben:
ElliBesch hat geschrieben: ....und würde immer nur Mönche in mein Gehege lassen... *oops*
Hallo Elli,

das Problem ist nur, dass die Sterilisation aus einem Bock keinen Mönch macht, nur einen zeugungsunfähigen Bock mit Geschlechtshormonen.
Hallo Sabine,

ok, - und das bedeutet wiederrum, dass der Bock will, aber nicht kann, d.h. dass er wie ein normaler Bock die Mädels in ihrer Bockigkeit 'belästigt' und so gesehen, da er 'nicht zum Zuge kommen kann' *oops* ziemlich gestresst sein wird? Oder ist das übertrieben formuliert?

Sorry, aber mich interessiert das Thema wirklich brennend... und wenn ich weiter drüber nachdenke, werden dann, weil dieser Bock ja dann auch 'normal stinkt', seine Weiber noch bockiger, was dann wiederrum schneller oder überhaupt zu Gebärmutterentzündungen ö. Ähnlichem führen kann??? #shock#

Mhm, ich denke mal gerade weiter... :-(

Lg Elli&Co


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Not being vegan is a mistake. ^^
Yougin
Beiträge: 1492
Registriert: 05.01.2012, 18:42

Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von Yougin »

Hallo.

Muss mich hier mal mit einklinken . Hoffe das ist ok?
Gibt es bei ziegenböcken auch die Möglichkeit einer chemischen kastration ?
Bei Hunde wird das ja mittlerweile sehr oft praktiziert. Hält glaub ca 6Monate an, wäre auch ne Option , zur Geburten Kontrolle, oder?
Hat da jemand schon Erfahrung damit?


LG Steffi


Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es spürt wie du den Schmerz!

Das mir der Hund das Liebste ist, sagst du "oh" Mensch sei Sünde, der Hund blieb mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde!
Cirkle-B-Ranch

Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von Cirkle-B-Ranch »

hallo,

wir haben einen ochsen (unblutig kastriert - gekniffen), der unsere kühe gern beglücken möchte
und absolut frustriert ist, weil es nicht klappt ....
unser walliser kastrat - versucht es auch bei den mädels - fällt nach 2 - 3 mal ruckeln einfach zur seite ...

ergo - wir lassen keine kastraten mehr zu den mädels - weder bei den ziegen, noch bei den rindern ...


gruß CBR


Ziegentrekking Altmühlfra
Beiträge: 1172
Registriert: 31.03.2010, 19:24

Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von Ziegentrekking Altmühlfra »

Hi Abra :)

Für mich steht das Thema "Sterilisation" aktuell zwar nicht zur Debatte, dennoch würde mich deine "Feldstudie" schon sehr interessieren. Aus diesem Grund bitte ich auch um reges "Tastentippen" deinerseits. ;)

Herzliche Grüße
Siggi


Abra K.

Re: Sterilisation statt Kastration

Beitrag von Abra K. »

Ein kontroverses und offensichtlich einige Herzen bewegendes Thema...

Rein medizinisch betrachtet, ist die Sterilisation eines Ziegenbockes gleichzustellen mit der Sterilisation eines menschlichen Männchens, in der Humanmedizin als Vasektomie bezeichnet:

"Vasektomie, auch Vasoresektion genannt, bezeichnet im weiteren Sinne das Entfernen von jeglichen Gefäßen oder Gefäßteilen aus dem Körper. Meistens wird damit jedoch ein chirurgischer Eingriff zur Sterilisation des Mannes bezeichnet. Die Operation wird zur Empfängnisverhütung eingesetzt. Dabei werden die Samenleiter (Ductus deferens) im Hodensack des Mannes durchtrennt.

Im Gegensatz zur Kastration bleibt die Hormonproduktion in den Hoden erhalten und auch die Erektionsfähigkeit des Penis wird nicht beeinflusst. Da die weiterhin in den Hoden produzierten Spermien nach der Durchtrennung der Samenleiter nicht mehr abgeführt werden können, werden sie vom Körper resorbiert. Das Ejakulat eines sterilisierten Mannes enthält keine Spermien mehr, ist ansonsten aber bezüglich Volumen, Aussehen, Geruch und Geschmack weitestgehend unverändert.

Die Operation wird meist ambulant unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Der Arzt legt mit ein oder zwei kleinen Schnitten am Hodensack die Samenleiter frei, entfernt jeweils ein ca. 1 bis 3 cm langes Stück des Samenleiters und verödet die Schnittstellen...

[...]

Die Angaben über die Häufigkeit von Komplikationen variieren in der Fachliteratur und sind abhängig von der angewandten Operationstechnik und wahrscheinlich auch von der Erfahrung und der Operationsfrequenz des durchführenden Arztes. Insgesamt werden Komplikationen selten beschrieben. Am häufigsten kommt es zu Hämatomen (0,9 %) und Infektionen (bis zu 1,5 %)[2]. Eine Übersichtsarbeit über den Zeitraum von 1964 bis 1998 kommt auf eine Quote von frühen Komplikationen wie Hämatom, Infektion, Spermagranulom, Epididymitis und Post-Vasektomie-Syndrom in 1-6 %."

Der vollständige Artikel ist hier nachzulesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Vasektomie

Und dann natürlich auch der entsprechende Artikel bezüglich Kastration:

"Unter einer Kastration (lat.: castro, castratus für schwächen, berauben, entnehmen, entkräften) wird üblicherweise die operative Entfernung der Keimdrüsen (Gonaden) verstanden. Medizinisch wird sie deshalb als Gonadektomie, genauer beim Mann (Hoden) als Orchiektomie, bei der Frau (Eierstöcke) als Ovarektomie bezeichnet.

Als Kastration gilt auch die Zerstörung der Keimdrüsen durch ionisierende Strahlung (Röntgenkastration, Menolyse). Beim Mann wird eine Gesamtdosis von etwa 10 bis 12 Gray benötigt.

Die Hormonproduktion kann auch durch Arzneistoffe („chemische Kastration“, beispielsweise durch das antiandrogen wirksame Cyproteronacetat) umkehrbar unterdrückt werden.

Eine unblutige Kastration liegt vor, wenn die Keimdrüsen (insbesondere die Hoden) durch Abquetschen der sie versorgenden Blutgefäße ausgeschaltet werden. Das wird vor allem bei Tieren praktiziert.

[...]

Eine Kastration ist in jedem Fall ein schwerwiegender Eingriff mit weitreichenden Folgen für Menschen oder Tiere, sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechtes.

In allen Fällen (bei beiden Geschlechtern) führt die Kastration zu Unfruchtbarkeit.
Am schwerwiegendsten ist der Eingriff beim Menschen, wenn er noch vor der Pubertät vorgenommen wird. Die Folgen bei einem Knaben sind beispielsweise:

- geringes Wachstum des Kehlkopfs und daher das Ausbleiben des Stimmbruchs. Eine hohe Fistelstimme bzw. Singstimme bleiben dadurch erhalten, die Sprechstimme gleicht etwa der eines hohen Tenors (Kastratenstimme)
- ausbleibende Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale und fehlender Gestaltswechsel vom Jüngling zum Mann
- Hochwuchs und Störungen der Verknöcherung, daher längere Extremitäten und „eunuchoider“ Körperbau
Ausbleiben der männlichen Körperbehaarung, sowie zarte, blasse Haut (wie die eines Kindes)
- Antriebsarmut, Muskelschwäche und rasche Ermüdbarkeit
- Mindestens im späteren Alter gegenüber einem Nichtkastrierten eine deutlich verringerte Ausprägung des Sexualverlangens (Geschlechtstriebes) und der Potenz
- starke Neigung zu Fettleibigkeit, insbesondere mit Fettansatz an den Hüften, Oberschenkeln und Gesäß,
dadurch ein „verweiblichtes“ und „matronenhaftes“ Aussehen
- Verzögerungen der psycho-sexuellen Entwicklung, psychische Auffälligkeiten und Depressionen, teilweise auch psycho-soziale Schwierigkeiten, Diskriminierung und Entwurzelung, sowie geringes gesellschaftliches Ansehen

Bei Kastration im Erwachsenenalter bleiben diese Wirkungen aus, da die Pubertät vor dem Eingriff schon abgeschlossen ist. Zu den möglichen Effekten zählen aber:

- Antriebsarmut
- Veränderung der Behaarung
- Abnahme der Libido (Geschlechtstrieb) oder sogar Impotenz
- tiefgreifende Persönlichkeitsveränderungen, gesteigerte vegetative Labilität und Depression
Osteoporose
- möglicherweise Fettleibigkeit mit Stoffwechselstörungen, Entgleisungen des Fettstoffwechsels, des Zuckerstoffwechsels und folgender Zuckerkrankheit sowie arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)."

Der vollständige Artikel kann hier gelesen werden: http://de.wikipedia.org/wiki/Kastration

Wer in diesem Thread mit mir über Sinn oder Unsinn der Sterilsation eines Ziegenbockes diskutieren möchte, möge bitte beide Artikel gelesen und sich eine Menge Gedanken darüber gemacht haben, ansonsten werde ich auf keinerlei Statements eingehen.

Wer mich lediglich anpöbeln oder provozieren will, wird von mir ignoriert.

Wer daran interessiert ist, einen Erfahrungsbericht über die Sterilisation eines Bockes zu lesen, wird hier finden, was er sucht.

#gitarre#


Abra K.

p.s.

Beitrag von Abra K. »

#gitarre#

Der Gitarrensänger erinnert mich halt einfach an einen Barden, und das passt so schön zu meiner romantisch-idealistischen Haltung...

*fg*


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