Seite 1 von 1

Preisfrage zum Ziegentransport in Österreich

Verfasst: 26.03.2013, 11:46
von Pichlbauer
[font='Calibri']Ich stelle hier eine Preisfrage zum Ziegentransport in Österreich:[/font]

Wie schnell darf man



  • mit einer Zwergziege

  1. im Ortsgebiet
  2. auf einer Bundestraße außerhalb des Ortsgebietes
  3. auf einer Schnellstraße
  4. auf der Autobahn
jeweils



  • im schweren Hänger
  • im leichten Hänger
  • im Van
unterwegs sein (Annahme: alle Voraussetzungen für Tiertransport sind positiv erfüllt)



  • wie sind die zulässigen Höchsgeschwindigkeiten, wenn die Zwergziege zuhause bleibt und dafür ein schwerer Hund, z.B. Bernhardiner oder Leonberger in den drei Transportvarianten mitfährt?
[font='Calibri']Vorweg: menschliche Logik und Vernunft ausschallten und versuchen, so zu denken wie Beamte an einem Schreibtisch in Wien.[/font]

[font='Calibri']Hintergrund:[/font]

[font='Calibri']Mich hat ein Urteil in 2. Instanz aus dem Jahre 2001 nicht ruhen lassen, in dem ein privater Fahrer zu damals 1.000,- ATS verdonnert wurde, weil er auf einer Bundesstraße mit seinen zwei Pferden im Pferdehänger 80km/h statt 50km/h fuhr. Ihm wurde ein Paragraph des KFGs ([/font]Kraftfahrgesetz) zum Verhängnis, den kaum jemand bewusst kannte. Nach diesem durfte er mit Pferden im Hänger nur 50km/h auf der Bundesstraße außerhalb des Ortsgebietes unterwegs sein - Diese 50km/h - Regelung gilt nicht mehr. Sie wurde mittlerweile in der KDV (Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung) an die üblichen Regelungen für Tiertransporte im schweren Hänger angepasst.

Die Begründung der Entscheidung zu diesem Urteil ließ mich aber nicht ruhen, da man daraus für Ziegen- oder Schaftransporte Begrenzungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ableiten kann, die den meisten Ziegenhaltern nicht bewusst sind. Ich veranlasste eine rechtliche Prüfung im Ministerium, die meine Vermutung leider bestätigte. Wenn in Wien am Schreibtisch über das geurteilt wird, was dort am Schreibtisch zusammengedacht wird, kommt halt etwas raus, worüber man nur mit den Achseln zucken kann.

Wer die Preisfrage richtig beantwortet gewinnt die Chance sich ein ordentliches Organmandat zu ersparen- Wer die rechtliche Begründung dazu abgeben kann, dem wird ein virtueller Lorbeerkranz aufgesetzt.

PS.: Ich habe gebeten, dass Ziegen- und Schafzuchtverbände sowie LWK auf die Wiener Auslegung dieses Rechtspassus aufmerksam gemacht werden, damit sie ihre Mitglieder informieren können.

Verfasst: 28.03.2013, 15:14
von Pichlbauer
Da keiner raten will, und ich euch eventuelle Strafgelder ersparen helfen will, hier die Auflösung:

(Zwerg-)Ziege:

  • Im schweren Hänger: 50/70/80/80
  • Im leichten Hänger: 50/70/80/80
  • Im Van/Pkw: 50/70/80/80
Bernhardiner:

  • Im schweren Hänger: 50/80 (70 E zu B)/80/80
  • Im leichten Hänger: 50/100/100/100
  • Im Van/Pkw: 50/100/100 (130)/130
Begründung aus dem Ministerium: (Zwerg-)Ziegen und Schafe, wie auch Schweine sind Großvieh. Es gelten die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten nach § 58 Abs 1 Z 3 litc KDV für Großviehtransporte.

Im Kraftfahrgesetz und der hiezu ergangenen Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung findet sich eine gesetzliche Definition des Begriffes „Großvieh“ bzw „Großviehtransport“ ebensowenig wie in der Straßenverkehrsordnung. Das Ministerium legt einen Passus aus dem Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport, BGBlNr 597/1973 (Art 2 lit a) aber so aus, dass die dort gelisteten Tierarrten (Pferde, Esel, Maultiere, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine) eben unter Großvieh fallen.

Verfasst: 29.03.2013, 13:17
von Pichlbauer
[font='Calibri']Es ist sicher nicht jedermanns Sache sich in Gesetzestexten mit deren Rechtsauslegung und Judikatur zu Recht zu finden :rolleyes: . Für jene die hier wirklich in die Tiefe gehen wollen, etwas mehr Details, um folgen zu können:

· Der „verhängnisvollen Paragraphen im KFG“, über den ein privater Fahrer vor gut 12 Jahren gestolpert ist, ist der § 98 (1) in der Fassung von Anfang 2001:[/font]
[font='Calibri']Durch Verordnung sind nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechend, ziffernmäßig die Geschwindigkeiten festzusetzen, die mit bestimmten Untergruppen von Kraftfahrzeugen (§ 3), beim Ziehen von Anhängern, bei Verwendung von bestimmten Arten von Reifen, bei der Beförderung von Personen oder von bestimmten Arten von Gütern sowie beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen nicht überschritten werden dürfen. Bei Langgutfuhren (§ 2 Z 39) und bei Großviehtransporten darf eine Geschwindigkeit von 50 km/h nicht überschritten werden; auf Autobahnen beträgt die höchste zulässige Geschwindigkeit jedoch bei Großviehtransporten 80 km/h und bei Langgutfuhren 65 km/h[/font][font='Calibri'].

· Mit der 21. Novelle zum KFG vom 24. Mai 2002, BGBl. I Nr. 80/2002, wurde durch Wegfall des zweiten Satzes in § 98 (1) KFG, die Festsetzung von zulässigen Höchstgeschwindigkeiten bei Großviehtransporten, der Verordnungsermächtigung überlassen. Dadurch findet sich die Regelung zu Großviehtransporten jetzt in der aktuellen (heutigem Tage, 29.03.2013) und derzeit [/font]gültigen Fassung des § 58 (1) lit.3c:
3. im Hinblick auf die Beförderung von bestimmten Arten von Gütern oder die Verwendung besonderer Fahrzeuge
c) bei Großviehtransporten 70 km/h,
auf Autobahnen und Autostraßen 80 km/h

soweit zum "damals - heute"

[font='Calibri']Dieser Passus regelt die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei der Beförderung von bestimmten Arten von Gütern auf Straßen (hier Großvieh) unabhängig vom verwendeten Transportmittel (also egal, ob im schweren Pferdehänger mit oder ohne E zu B, leichtem Hänger, im PKW oder auf dem Gepäckträger eines Mofas)
Auf allen öffentlichen Straßen, egal ob Bundes-, Landes- Gemeindestraßen, außerhalb des Ortsgebietes darf man mit Großvieh nur mit 70 km/h unterwegs sein. Nur auf Autostraßen oder Autobahnen darf man bis zu 80 km/h schnell fahren. [/font]

[font='Calibri']Die rechtliche Schlinge, in die ein Ziegentransporteur – egal wie groß dessen Ziege ist – tapsen kann, ist, dass in der österreichischen Gesetzgebung nicht geregelt ist, was ein Großvieh ist. Die bisherige Judikatur (und danach orientiert sich wohl ein „Ministeriumsmitarbeiter“) folgt noch immer der Begründung der [/font]
[font='Calibri']Entscheidung des UVS Niederösterreich. GZ Senat-KO-00-496, vom 25.10.2001[/font][font='Calibri'], die da im Wesentlichen lautet:
Im Kraftfahrgesetz und der hiezu ergangenen Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung findet sich eine gesetzliche Definition des Begriffes „Großvieh“ bzw „Großviehtransport“ ebensowenig wie in der Straßenverkehrsordnung. Allerdings wird im StVO-Kommentar von Messiner (10 Auflage) in der Fußnote 16 zu § 42 StVO (Lkw-Fahrverbot) zum Begriff „Großvieh“ in Klammer „(Rinder, Pferde, Esel)“ ausgeführt“; ähnlich der Klammerbegriff „(Einhufer und Rinder)“ zum Begriff „Großvieh“ in der Anlage 2 Z 117 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr 24/1983. Auch im Erlass des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 30. November 1994, Zl 170.303/25-I/7/94 wird ausgeführt, dass der Begriff „Großvieh“ im KFG nicht definiert ist, aus dem Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport, BGBl Nr 597/1973 (Art 2 lit a) jedoch abgeleitet werden kann, dass unter Großvieh Pferde, Esel, Maultiere, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine zu verstehen sind, da diese Tiere dort unter einer lit aufgezählt sind und unter einem Kapitel einheitlich behandelt werden.[/font]

Verfasst: 29.03.2013, 13:17
von Pichlbauer
[font='Calibri']Das Problem dabei ist, dass die damalige Entscheidung sich auf den Transport eines Pferdes bezog und dahingehend wohl auch richtig war, aber in ihrer Begründung sich auf eine Auflistung von Tierarten im Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport beruft, und dabei ableitet, dass diese Tiergruppe eben Großvieh sei. Zu einer abschließend normierenden Vorgabe zum „geltenden Recht“ für die Judikatur hinsichtlich Klein-/Großvieh kann es nur kommen, wenn jemand seine Strafverfügung bis zum OGH bekämpft. Wenn dies ein Ziegen-/Schaf-/ oder Schweinetransporteur ist, räume ich ihm Chancen ein, dass sich der OGH nicht der bisherigen Rechtsmeinung der bisherigen Judikatur anschließt.[/font]

· [font='Calibri']Begründung:[/font]
o [font='Calibri']Artikel 2 des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport subsumiert in einer Gruppe Tiere verschiedener Gattungen, die gemeinsam im Kapitel II dieses Übereinkommens behandelt werden. Explizit wird dort nicht definiert, dass dies Gattungen alle „Großvieh“ sind.[/font]
o [font='Calibri']Innerhalb der insgesamt 36 Artikel dieses Kapitels werden aber die einzelnen Gattungen dieser Gruppe durchaus nicht einheitlich, sondern teils auch sehr unterschiedlich behandelt. (Art 6 lit5 bis 8, Art 7 lit 1, Art 11 lit 2, Art 18, Art 20, Art 35, Art 36)[/font]
o [font='Calibri']In Art 19 und 23 werden besondere Regelungen für Großtiere für die unter Art 2 lit a subsumierten Tiergattungen getroffen. Somit kann wohl geschlossen werden, dass diese Gruppe auch Kleintiere enthält.[/font]
o [font='Calibri']Wiewohl dieses Übereinkommen den Schutz von Tieren zum Gegenstand hat, enthält es keine Regelungen hinsichtlich Höchstgeschwindigkeiten oder besonderer Fahrverhalten. Groß- und Kleintiere werden sich sehr wohl hinsichtlich des Massenträgheitsverhaltens unterscheiden. Die Gruppierungen von Tierarten in Art 2 lit a des Europäischen Übereinkommens liegen daher wohl andere Überlegungen zugrunde, und daraus eine Ableitung für die Auslegung der KDV zu treffen, dass alle Tierarten dieser Gruppe Großvieh ist, ist daher sehr gewagt oder schlichtweg falsch.[/font]

o [font='Calibri']In der Gesetzgebung anderer europäischer Länder finden oder fanden sich sehr wohl klare Definitionen hinsichtlich der Unterscheidung von Klein- und Großvieh:[/font]

  1. [font='Calibri']Schweiz:

    Verordnung über die technischen Strassenverkehrsfahrzeuge (VTS) – hierzu die Richtlinie für Überwachung Kontrolldienst STS (gültig ab 01.01.2013):
    Art.1.4: Definition Gross- und Kleinvieh

    Als Kleinvieh gelten in dieser Richtlinie (in Anlehnung an Merkblatt ASTRA):
    a. Schweine
    b. Schafe
    c. Ziegen
    d. Rinder bis zum abgeschlossenen Alter von 6 Monaten.

    Als Grossvieh gelten in dieser Richtlinie:
    a. Alle Kategorien der Rindergattung älter als 6 Monate
    b. Pferde, Esel, Maultiere
    [/font]
  2. [font='Calibri']Deutschland:

    Wenn auch sehr alt und wohl nicht mehr gültig, aber dennoch - §1 (5) der Anlage B zur Eisenbahn-Verkehrsordnung 1938:
    (5) Auf Bahnhöfen mit regelmäßigem größeren Tierversand sowie auf den Tränkbahnhöfen (§ 5) oder in deren Nähe müssen zur vorübergehenden Unterbringung der Tiere eingefriedete Räume (Buchten oder Bansen) vorhanden sein, von denen ein angemessener Teil überdeckt sein muß. Diese von der Eisenbahn zu schaffenden Räume müssen Brunnen oder Wasserleitung sowie Vorrichtungen zum Anbinden, Füttern und Tränken der Tiere enthalten. Sie müssen in kleinere Abteilungen geteilt sein, in denen die Tiere verschiedener Gattung und das Großvieh (Pferde, Maultiere, Ponys, Rindvieh, Esel u. dgl.) vom Kleinvieh (Schweine, Kälber, Schafe, Ziegen, Hunde, Geflügel u. dgl.) getrennt unterzubringen sind. Muttertiere mit saugenden Jungen bleiben zusammen. Der Fußboden muß so beschaffen sein, daß er ordnungsmäßig gereinigt werden kann.[/font]
[font='Calibri']Beide Gesetzesstellen stellen m.E. das allgemeine Verständnis zur Unterscheidung von Groß- und Kleinvieh dar - zumindest bei Menschen, die mit diesen Tieren auch real noch in Kontakt kommen. Dieses Verständnis findet sich auch außerhalb von Rechtstexten in Wikipedia: "In Mitteleuropa wird in der Regel unter Großvieh Schweine, Rinder und Pferde verstanden. Schafe, Ziegen, Geflügel und Kaninchen zählen zum Kleinvieh."[/font]

Also als Beitrag zu einer abschließenden Rechstsicherheit sich entweder mit einer Zwergziege in der Hundebox bei 130 auf der Autobahn erwischen lassen und bis zum OGH durchfechten, oder hoffen, dass eine klare Definition in der KDV kommt. Letzteres verfolge ich.
Bis dahin freundlich lächeln, wenn ein Blitzer meint, sich der Rechtsmeinung von Juristen anschließen zu müssen und auch schon so weit weg vom allgemeinen Verständnis bezüglich unserer realen Tierwelt ist.

[font='Calibri']Ach ja, Piroschka :thumbup: , danke für deinen persönlichen Tipp! Gesetzestexte und juristische Gehirnakrobaten bringen mich nicht aus der Ruhe #schlafen# , sonst hätte ich schon längst einen Infarkt – hab nämlich beruflich mit solchen viel zu tun. Aber vielleicht konnte ich dir helfen, mir in deren Abgründe *oops* zu folgen.[/font]

Verfasst: 29.03.2013, 18:57
von ElliBesch
Servus Pichlbauer,

vielleicht hab ich Dich ja nicht verstanden, obwohl ich den Text ein paar Mal durchgelesen habe. Du möchtest also, dass man am liebsten so schnell wie möglich über die Strassen brettert ( natürlich mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit).

Warum eigentlich?

Bist Du beruflich viel mit Tiertransporten zugange oder warum nennst Du die, so wie ich meine, zurecht verhängte Strafe ob der Geschwindigkeitsüberschreitung ' in die Falle tapsen'?
Wäre ich Autofahrerin oder Tiertransporteurin, würde ich gerade mit Tieren, egal welcher Art, so gefühlvoll und sicher über die Strassen zuckeln ( natürlich nicht schleichen, aber in einer so genannten defensiven Fahrweise.

Dir scheint die Offensive wohl eher zu liegen. Da kann ich Dir leider keine Tipps geben. Nur meinen Senf dazu. :-D

Übrigens finde ich den Passus aus dem Jahr 1938 über die Versorgung der Tiere an Bahnstationen nahezu rührend, wenn man bedenkt, was sich heuer so im Bereich Tiertransport an Dramen abspielt... :-o

Ich wünsche Dir eine dennoch friedliche Osterzeit und vielleicht entwickelt sich hier ja auch noch ein Threat hochpolitischer Juristerei... ^^

Viele, liebe Grüße

Elli&Co :rolleyes: