Fütterung, Futtermengen

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Ise
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Registriert: 21.07.2008, 23:45

Fütterung, Futtermengen

Beitrag von Ise »

Hallo,
ich bin neu hier im Forum und benötige Eure fachkundige Hilfe !
Ich habe mir vor 4 Jahren eine junge bunte deutsche Edelziege als Gesellschafterin für meine Kaltblutstute zugelegt. Das hat auch wunderbar funktioniert und die Beiden haben sich schnell angefreundet. Jetzt musste ich schweren Herzens die Stute abgeben und habe unserer BDE wiederum Gesellschaft besorgt: ein kleiner, 3 Monate alter kastrierter Bergziegenbock. Lustiger Kerl ! Die Beiden verstehen sich eigentlich ganz gut, wenn es nicht gerade ums Fressen geht. Ich werde nun den Stall etwas umbauen, damit die Beiden mehr Platz haben.
Aber nun zu meiner eigentlichen Frage:

Wie viel Heu / Kraftfutter soll ich den Beiden geben ? Bisher hat die BDE morgens ein wenig getrocknetes Brot und gegen Nachmittag/Abend eine 3/4-Rippe eines HD-Ballens bekommen. Wasser aus einem Eimer. Ich habe nun eine Selbsttränke mit Schwimer gekauft und den Stall als Offenstall umgebaut (muß ihn wie gesagt innen noch erweitern) Die Beiden bekommen morgens und abends verteilt eine Rippe Heu eines HD-Ballens zusammen in einen Trog. Die "Alte" bockt den Kleinen aber ständig weg und ist extrem futterneidig. Dies hat ab und ab zur Folge,dass das Böckchen nicht genug zu fressen bekommt und dann berechtigterweise meckert. Wie füttert Ihr ? Habt Ihr größere Mengen Heu in entsprechend größeren Raufen ? Ich hab Angst das unsere Große zu viel frißt wenn das Angebot entsprechend größer ist. Oder gibt sich das nach einiger Zeit? Ich weiß nicht ob ich eine oder zwei Heuraufen bauen soll oder lieber ein Freßgatter...? #hail#
Kraftfutter frißt die Große in Rekordzeit weg, sodass der Kleine erst recht nix bekommt....
Wieviel Heu brauche ich für 2 Ziegen am Tag ?
Wenn das Böckchen nich punkt 7 Uhr morgens die Stalltür geöffnet und Futter bekommt, meckert er das ganze Unterdorf wach !!! Unglaublich wie laut so ein kleiner Kerl werden kann.
Ich hab schon viel gelesen, hier im Forum und in Fachbüchern, würde mich aber über ein paar hilfreiche Antworten von Euch trotzdem freuen.


Gruß
Stefan
sanhestar
Beiträge: 8258
Registriert: 17.03.2003, 11:56

Re: Fütterung, Futtermengen

Beitrag von sanhestar »

Hallo Stefan,

wie war das früher - bekam Deine Ziege wirklich nur abends Heu? Wovon hat sie sich den Rest des Tages ernährt?

Bei Ziegen handhabt man es wie bei Pferden - Heu ad libitum = Heu satt. Möglichst in einer Raufe, da Ziegen nichts mehr fressen, das sie auf den Boden gezogen haben und über das sie einmal drüber gelaufen sind. Sie sind Äser = Blätter und Buschwerk, keine Grasfresser (wie Pferde). Daher benötigen beide neben Heu Buschwerk, Laub, Rinde - alles, was man als Unkräuter bezeichnet.

Solange die zwei um's Futter kämpfen, haben sie Hunger, also die Menge aufstocken. Du hast die nötige Menge erreicht, wenn Heu IN DER RAUFE übrigbleibt und die Tiere zufrieden sind.

Kraftfutter (und auch Brot) würde ich, sofern Deine BDE keine Leistung wie Trächtigkeit oder Milch erbringen muss, vollständig weglassen. Ziegen stammen aus Karggebieten und vertragen Eiweißüberschuß nicht sehr gut (Leberprobleme, Pansenprobleme, Verhaltensstörungen). Für den Jungbock kannst Du im ersten Jahr über mässig (!) Kraftfutter nachdenken, der kleine Kerl bräuchte eigentlich sowohl noch seine Mutter als auch noch für einige Wochen Muttermilch (normalerweise setzen Ziegenmütter ihre Lämmer im Alter von 5-6 Monaten ab). Das Meckern des Kleinen deutet auch auf Hunger hin. Allerdings ist Kraftfutter bei kastrierten Böcken auch kritisch zu betrachten, vor allem, bei einem so jung kastrierten, wie Deinem.

Ich möchte jetzt nicht alles nochmal zusammentippen, was zu diesen Themen schon geschrieben wurde. Bitte benutz' die Suchfunktion zum Thema Kraftfutter, Kastration, Harnsteine, Fütterung von kastrierten Böcken.

Gruss


Sabine M.H.
http://www.working-goats.de Pack- und Fahrziegen
Ise
Beiträge: 3
Registriert: 21.07.2008, 23:45

Re: Fütterung, Futtermengen

Beitrag von Ise »

Vielen Dank schon mal für die Info's.
Kann mir aber vielleicht jemand noch sagen vieviel Heu meine 2 Ziegen so ungefähr pro Tag
benötigen ? Ich werde auf jeden Fall regelmäßig frische Äste mit Knabberzeug dran aufstellen
und mein Kraftfutter auf ein miniminiminimum reduzieren. Weidegang, ca. 450m² direkt am
Offenstall hinterm Haus, haben sie ja auch...
Würde mich über ein paar weitere Infos freuen. Die Suchfunktion habe ich auch schon durchblättert,
ist wirklich sehr informativ hier !
Vielen Dank im Voraus
#daumen_hoch*


sanhestar
Beiträge: 8258
Registriert: 17.03.2003, 11:56

Re: Fütterung, Futtermengen

Beitrag von sanhestar »

Hallo Stefan,

Futtermengen sind so eine Sache, das ist eigentlich immer fliessend. Kennst Du das Sprichwort "Das Auge des Herrn füttert das Vieh!" ?

Ich stell mal was rein, was ich von einer Ziegenhalterin aus USA bekommen habe:

- man bestimmt als erstes den Futterzustand, das Gewicht (Viehwaage oder Maßband) und das Maß an täglicher Aktivität

Futterzustandsbestimmung:

1 Sehr dünn
Alle Rippen sichtbar, Dornfortsätze stehen hervor und sind sehr scharf.
Keine Fettpolster fühlbar, Muskelschwund

2 Etwas zu dünn
Die meisten Rippen sichtbar. Dornfortsätze scharf, die einzelnen Fortsätze können ohne Problem ertastet werden.
Minimales Fettpolster über dem Rückenmuskel kann ertastet werden.

3 Angemessen
Dornfortsätze können gefühlt werden, sind jedoch glatt. Etwas Fettpolster über dem Rückenmuskel

4 Gut
„Glattes“, aufgefülltes Aussehen, ohne sichtbare Rippen. Dornfortsätze glatt und rund.
Einzelne Fortsätze sehr glatt, können mit etwas Druck gefühlt werden. Deutliches Fettpolster über dem Rückenmuskel.

5 Dick
Rippen nicht sichtbar, Dornfortsätze nur mit festem Druck fühlbar. Sehr deutliches Fettpolster über dem Rückenmuskel


Je nach Futterzustand legt man nun einen Multiplikator zugrunde:

Futterzustand Multiplikator
1 oder 2 / 3
3 / 2
4 oder 5 / 1


Nun zum Aktivitätslevel:

Aktivität Multiplikator
jünge als 2 Jahre / 3
Erwachsen, / 2
Erhaltungsbedarf,
keine Leistung
Erwachsen, Leistung / 3

ACHTUNG! Dies bezieht sich NICHT auf Milchziegen, sondern auf Hobbyziegen

Die Multiplikatoren für Ernährungszustand und Aktivitätslevel werden nun addiert und ergeben in % des Körpergewichts der Ziege die täglich benötigte Futtermenge. Davon müssen MINDESTENS 3/4 Rauhfaser sein (es können auch 100% sein) und max. 1/4 Getreide oder Kraftfutter (wenn benötigt z.B. in Phasen höheren Proteinbedarfes).

Zur Beurteilung, ob Kraftfutter nötig ist oder nicht, kann man wiederum die o.g. Multiplikatoren und Altersangaben heranziehen:

Alter der Ziege:

bis 3 Jahre +2
über 3 Jahre +1

Futterzustand:

2,5 oder weniger +2
3 oder mehr +1

Aktivität/Arbeit

Arbeit +2
keine Arbeit +1

Nun addiert man wieder die passenden Parameter. Ein Ergebnis kleiner/gleich 3 = kein Kraftfutter; Ergebnis grösser/gleich 4 = Kraftfutter möglich.

Beispiel:

Ziege, 2 Jahre alt, Futterzustand 3, keine Arbeit: 2+1+1 = 4 = Kraftfutter möglich (in meinen Augen aber noch nicht unbedingt nötig)
Ziege, 8 Jahre alt, Futterzustand 2,5, Arbeit: 1+2+2 = 5 = Kraftfutter möglich (und ggfs. auch nötig, wenn alle anderen Ursachen ausgeschlossen: Würmer, genereller Futtermangel)
Ziege, 6 Jahre alt, Futterzustand 3, keine Arbeit: 1+1+1 = 3 = kein Kraftfutter nötig

Das ist sehr vereinfacht gehalten. Ich persönlich gebe Kraftfutter wirklich als ALLERLETZTE Möglichkeit, das liegt aber auch daran, dass ich überwiegend kastrierte Böcke halte, die in punkto Harnsteinbildung gefährdet sind. Daher gebe ich lieber mehr Heu (ist im Endeffekt auch billiger), als mit Kraftfutter zu unterstützen.

Gruss


Sabine M.H.
http://www.working-goats.de Pack- und Fahrziegen
Fridolin
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Registriert: 26.02.2006, 22:26

Re: Fütterung, Futtermengen

Beitrag von Fridolin »

Servus Ise

Ein Fressgitter würde Dein Problem sicherlich lösen können. Ideal wäre es, wenn Du auch eine Trennwand zwischen diesen beiden Fressplätzen errichten könntest, sowohl auf der Boxen- als auch auf der Futtertischseite. Ziegen sind nämlich extrem futterneidig und manche dulden neben sich keine zweite Ziege. Wenn das Böckchen älter wird, könnte sich die Dominanz durchaus auch drehen. Natürlich könntest Du auch einen zweiten Fressplatz außerhalb der Sichtweite der bestehenden Raufe schaffen.

Wie Sanhestar bereits beschrieben hat, vergeuden die Ziegen extrem viel Heu, indem sie ca. ein Drittel der Menge auf den Boden fallen lassen und dann nicht mehr anfassen. Ein Futtertisch hilft also Heu sparen, weil die Ziegen ihren Kopf doch nicht ständig oder kaum zurückziehen um das Heu auf den Boden zu zetern. Der Nachteil allerdings ist, dass das Restheu auf dem Futtertisch "verhaucht" wird und dann ebenfalls nur mehr ungern genommen wird. Du musst also ungefähr abschätzen, wie viel Heu sie pro Mahlzeit brauchen und keine zu große Mengen auf einmal einfütterst. Also nicht nur einmal pro Tag, sondern wenn möglich, öfter kleinere Mengen. Es hilft auch, das am Futtertisch liegengebliebene Heu überzudrehen und etwas aufzulockern und mit frischem Heu zu mischen.

Ich selbst habe eine sehr dominante Leitziegendame, die es schafft, drei Fressplätze im Stall und eine Außenraufe unter Kontrolle zu halten. Ich habe daher über dem Fressgitter mit Futtertisch, auf den Zwischentrennwänden eine zweite Ebene gebaut, wo ich eine zusätzliche Heuraufe gebaut habe. Diesen Fressplatz zu erklimmen, ist der Chefin nun doch zu blöd und oben haben beispielsweise die Ziegenlämmer der anderen Ziegen ihre Ruhe, sofern sie sich nicht gegenseitig einen Stress machen. Also eine Ideallösung ist fast nicht zu schaffen, aber sie beim Fressen zu fixieren wollen wir auch nicht, weil wir unseren Ziegen die größtmögliche Freiheit bieten wollen.


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