Hospitalismus - Haut und Knochen
Verfasst: 24.03.2008, 16:13
Viele kennen das Phänomen des Hospitalismus von Altenheimen, Krankenhäusern, Kinderheimen, aber auch aus der Tierhaltung: von Pferden (Weben oder Koppen), die als Großtiere in 9qm-Boxen gehalten werden (für einen Hund sind wohl 12qm Vorschrift), von Bären und anderen Tieren in Zoos oder Zirkuswagen:
zu wenig Bewegung, zu wenige Sinneseindrücke führen zur psychischen und sensoriellen Deprivation.
Isolationsfolter arbeitet nach dem gleichen Prinzip. Entzieht man dem Lebewesen Sinneseindrücke (Hören, Sehen, Riechen, Fühlen), wird es letztendlich zusammenbrechen, zuvor schon verhaltensauffällig.
Seit neun Tagen versorgen wir eine Ziege aus solcher Haltung.
Sie war seit 6 bis 8 Monaten an einer 65 cm langen Kette in einer Betonecke befestigt. Sie konnte sich hinlegen, aber nicht in der hinteren Körperhälfte kratzen wegen der kurzen Kette und wegen fehlender Hörner.
Seit mindestens 2 Monaten stand sie nur auf 3 Beinen (hinten links unbehandeltes Zwischenklauengeschwür).
Sie wurde gefüttert mit Schafpellets und muffigem Heu, das sie nicht fraß.
Das Heu wurde so im vorderen Bereich zur "Einstreu", hinten stand sie nur im Kot und Urin, hinzu kam eine 2 cm hohe Taubenkotschicht.
Alles, was sie sehen konnte, war Beton, was sie riechen konnte, war Taubenkot.
Hören konnte sie einen Hund, der in der gleichen Situation lebte.
Die Klauenballen aller 4 Beine zerbröseln wie Hüttenkäse.
Als wir auf sie aufmerksam wurden, hatte sie aufgehört zu fressen.
Der Körper fühlt sich an wie ein abgenagtes Gerippe (Fernsehaufnahmen: Sahelzone, Gerippe liegt bleich im Sand) mit einem Fell darüber.
Dort, wo sich normalerweise der Bauch befindet, hing ein Hautlappen; die Beine sind völlig entmuskelt, wo an der Hinterkeule normalerweise ein Muskelpaket ist, fühlt es sich an wie eine zweite Hungerkuhle.
Die Ziege zeigt eindeutig starke Anzeichen von Hospitalismus:
1) Sie beriecht alles, als habe sie ihre bisherige Geruchserinnerung verloren. Wobei sie besonderes Interesse eher an Kleidung hat als an Nahrung.
2) Sie macht korkenzieherähnliche Hals-Kopf-Bewegungen, wie sie für
Tollwut oder manche CAE-Formen typisch sind, so daß wir anfangs an eine virale zentralnervöse Erkrankung gedacht haben.
Anfangs haben wir sie zwangsgefüttert (kleinste Mengen Heu gestopft), um zu einer Vermehrung der vielleicht noch vorhandenen Pansenbakterien zu kommen.
Im Anhänger zum TA und eine Infusion (intravenös) geben lassen. Problem bei einem so mageren Tier: Auffinden der Vene. Möglicherweise hat er auch die Vene durchstochen und das Produkt so reingejagt.
Sein Hauptmerkmal bei der Diagnose war sowieso: sie habe keine Ohrmarken!
Für uns bei der Erstversorgung (Antibiotikum und Kortison gegen die starken Schmerzen) war ebenfalls das Hauptproblem: wohin stechen??
Wenn man unter der Haut nur Knochen spürt.
Natriumpropionat-Gaben mit geduldigem Heustopfen haben dazu geführt, daß sie heute wieder allein frißt. Zwangstränken mit lauwarmem Wasser.
Die Kotpillen haben sich von 4 mm Stärke und 8 mm Länge schon um ca 50% vergrößert.
Glücklicherweise waren ihre Leber- und Nierenwerte in Ordnung, Temperatur ebenfalls.
Das zeigt andererseits, wieviel ein Ziegenorganimus an Mangel aushält im Gegensatz zu Überfütterung.
Wie entzündet jedoch der ganze Darmtrakt ist, erkennt man daran, daß sie sich mit dem ganzen Körper an der Wand scheuert unmittelbar nach Nahrungsaufnahme. Typisches Schmerzzeichen.
Zu ihrer Lieblingsnahrung gehören vor allem Brombeerblätter.
Viele werden sich an die Ziege Nelly aus Südirland erinnern, über die das Gleiche (bevorzugte Brombeerblätter bei wahrscheinlicher Entzündung des Verdauungstrakts) berichtet wurde.
Vielleicht kann mancher einiges der Infos gebrauchen.
Gruß Moritz
zu wenig Bewegung, zu wenige Sinneseindrücke führen zur psychischen und sensoriellen Deprivation.
Isolationsfolter arbeitet nach dem gleichen Prinzip. Entzieht man dem Lebewesen Sinneseindrücke (Hören, Sehen, Riechen, Fühlen), wird es letztendlich zusammenbrechen, zuvor schon verhaltensauffällig.
Seit neun Tagen versorgen wir eine Ziege aus solcher Haltung.
Sie war seit 6 bis 8 Monaten an einer 65 cm langen Kette in einer Betonecke befestigt. Sie konnte sich hinlegen, aber nicht in der hinteren Körperhälfte kratzen wegen der kurzen Kette und wegen fehlender Hörner.
Seit mindestens 2 Monaten stand sie nur auf 3 Beinen (hinten links unbehandeltes Zwischenklauengeschwür).
Sie wurde gefüttert mit Schafpellets und muffigem Heu, das sie nicht fraß.
Das Heu wurde so im vorderen Bereich zur "Einstreu", hinten stand sie nur im Kot und Urin, hinzu kam eine 2 cm hohe Taubenkotschicht.
Alles, was sie sehen konnte, war Beton, was sie riechen konnte, war Taubenkot.
Hören konnte sie einen Hund, der in der gleichen Situation lebte.
Die Klauenballen aller 4 Beine zerbröseln wie Hüttenkäse.
Als wir auf sie aufmerksam wurden, hatte sie aufgehört zu fressen.
Der Körper fühlt sich an wie ein abgenagtes Gerippe (Fernsehaufnahmen: Sahelzone, Gerippe liegt bleich im Sand) mit einem Fell darüber.
Dort, wo sich normalerweise der Bauch befindet, hing ein Hautlappen; die Beine sind völlig entmuskelt, wo an der Hinterkeule normalerweise ein Muskelpaket ist, fühlt es sich an wie eine zweite Hungerkuhle.
Die Ziege zeigt eindeutig starke Anzeichen von Hospitalismus:
1) Sie beriecht alles, als habe sie ihre bisherige Geruchserinnerung verloren. Wobei sie besonderes Interesse eher an Kleidung hat als an Nahrung.
2) Sie macht korkenzieherähnliche Hals-Kopf-Bewegungen, wie sie für
Tollwut oder manche CAE-Formen typisch sind, so daß wir anfangs an eine virale zentralnervöse Erkrankung gedacht haben.
Anfangs haben wir sie zwangsgefüttert (kleinste Mengen Heu gestopft), um zu einer Vermehrung der vielleicht noch vorhandenen Pansenbakterien zu kommen.
Im Anhänger zum TA und eine Infusion (intravenös) geben lassen. Problem bei einem so mageren Tier: Auffinden der Vene. Möglicherweise hat er auch die Vene durchstochen und das Produkt so reingejagt.
Sein Hauptmerkmal bei der Diagnose war sowieso: sie habe keine Ohrmarken!
Für uns bei der Erstversorgung (Antibiotikum und Kortison gegen die starken Schmerzen) war ebenfalls das Hauptproblem: wohin stechen??
Wenn man unter der Haut nur Knochen spürt.
Natriumpropionat-Gaben mit geduldigem Heustopfen haben dazu geführt, daß sie heute wieder allein frißt. Zwangstränken mit lauwarmem Wasser.
Die Kotpillen haben sich von 4 mm Stärke und 8 mm Länge schon um ca 50% vergrößert.
Glücklicherweise waren ihre Leber- und Nierenwerte in Ordnung, Temperatur ebenfalls.
Das zeigt andererseits, wieviel ein Ziegenorganimus an Mangel aushält im Gegensatz zu Überfütterung.
Wie entzündet jedoch der ganze Darmtrakt ist, erkennt man daran, daß sie sich mit dem ganzen Körper an der Wand scheuert unmittelbar nach Nahrungsaufnahme. Typisches Schmerzzeichen.
Zu ihrer Lieblingsnahrung gehören vor allem Brombeerblätter.
Viele werden sich an die Ziege Nelly aus Südirland erinnern, über die das Gleiche (bevorzugte Brombeerblätter bei wahrscheinlicher Entzündung des Verdauungstrakts) berichtet wurde.
Vielleicht kann mancher einiges der Infos gebrauchen.
Gruß Moritz