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Fragen zum Umgang mit neuem Bock (Körpersprache, etc...)

Verfasst: 30.10.2006, 15:00
von Surviva
Hallo Ihr Erfahreneren :)


Zwar lese ich schon lange hier mit und habe mich auch mit der Suchfunktion mehrfach schlau gemacht, aber nun habe ich einige spezielle Fragen.

Wie gehe ich, was Körpersprache und Handeln betrifft, am besten mit einem neuen, selbstbewussten Bock um, so dass er mich irgendwann gut respektiert, ich in seinen Augen eine Autoriät bin und er mir vertraut? Und mich nicht als zu bekämpfenden Konkurrenten in der Führung sieht?

Gestern haben wir zu unseren zwei Milchziegen und Jungbock einen dreijaehrigen Toggenburger Bock geholt, ein kräftiges Riesenvieh in Ponygrösse, hornlos, aber mit starkem Schädel und vor Manneskraft strotzend (auch wenn sein Gesicht bei den ersten Deckversuchen wenig intelligent ausieht ;-P ).

Der Bock steht jetzt erstmal mit der bockigen Ziege im kleineren Gehege, die anderen beiden Ziegen dürfen normal frei im Garten herumlaufen. Nach etwas Eingewöhnungszeit zeigte sich der Bock territorial, "seine" Ziege bewachend und aufmuckend-antestend, wenn ich das Gehege betrat, d.h. von Kopf an mir reiben über in die Ecke treiben oder antestendem oder auch sehr deutlichem Kopfknuff war alles dabei.

Ich will nun, dass er Vertrauen in mich fasst, aber mich auch respektiert, d.h. in die Enge treiben wollen oder Knuffen darf gar nicht vorkommen, denke ich. Somit versuche ich ihm selbstbewusst gegenüber zu treten, ihm nie auszuweichen, sondern sogar von ihm notfalls knuffend zu verlangen auf die Seite zu gehen, weil ich ja genau da durch will ;-) , wo er gerade steht. Die Kopfknüffe habe ich erwidert, ordentlich zurückgeknufft und ihn angeranzt, dann etwas weggetrieben, auch wenn er eine Weile brauchte, um das so zu akzeptieren.

Im Moment versuche ich zu verlangen, dass er mir ausweicht und auch zurückgeht, wenn ich ins Gehege komme, auf der anderen Seite locke ich ihn mit Leckereien und lobe ihn, wenn er vorsichtig kommt. Folgt er mir forsch, wenn ich das Gehege verlasse, drehe ich mich um und bleibe noch, damit er nicht den Eindruck hat, ich würde fliehen. Ist das alles der richtige Weg, um Respekt und gleichzeitig Vertrauen zu bekommen? Von der Körpersprache, d.h. Haltung, Mimik etc. her halte ich mich an das, was ich von unseren Hunden kenne, weil ich den Eindruck habe, dass beide Tierarten da sehr ähnlich "sprechen".

Ein Problem kommt nun noch dazu: ich habe gesehen, dass sein Hals zwischen den dicken Zotteln vom Anbindeseil wundgescheuert ist, es eitert und ist offen. Das werde ich vermutlich kahlscheren müssen und mit Salbe behandeln müssen. Ich vermute allerdings, dass der Bock erstens noch nicht genug Vertrauen hat, mich gerade an der Stelle was machen zu lassen, ausserdem würde ich damit ziemlich viel Unterwerfung verlangen - die er mir bestimmt noch nicht zeigen wird? Kann ich mir das Scheren evtl. ersparen und erstmal nur mit Spray rangehen? Festhalten gegen seinen Willen geht bei dem Riesenvieh genauso wenig wie auf den Rücken drehen etc., und auf körperliches Kräftemessen will ich mich gar nicht erst einlassen, da er sonst merkt, wie stark er im Vergleich zu mir eigentlich ist.


Viele Grüsse,
Surviva

Verfasst: 30.10.2006, 15:50
von Moritz
Zur Halsverletzung:
Du solltest ihn schon soweit scheren, daß Du die nässenden, eiternden Wunden säubern kannst.
Dazu mit Halsband (falls zu klein: Ledergürtel, also kein Strick um Hals) plus Strick zum Anbinden
kurz anbinden. Beim Scheren, kleinere Büschel jeweils, nicht weiter verletzen, falls er zappelt.
Nichtbrennendes Desinfektionsmittel (Wasserstoffperoxyd oder Betaisodona, also keines auf Akoholbasis, weil offene Wunde). Dann siehst Du, ob nicht etwa Maden in der Wunde sind. In letzterem Fall verfahren wie unter "Hilfe - Fliegenmaden am Hornansatz". Abtupfen, antrocknen lassen, noch einmal desinfizieren, abtrocknen/tupfen, Heilsalbe oder Aluspray (nicht ins Ange kommen lassen). Die Haare so weiträumig entfernen, dass keine durch Umkippen in die Wunde kommen können.
Körpersprache schon problematischer: nicht mit Hund vergleichbar, obwohl das viele glauben, Ohren und Schwanz ganz anders in K'sprache.

Auf Blatt 3 dieses Forumteils gibt es einen Thread "Ziegenbock - Kommunikationsproblem". Selten ist mehr Unsinn geschrieben worden als dort. Da konnten sich einige ausleben (u.a. einer, der sich im Profil Tierterapheut (so dort geschrieben) nennt). Sie hätten ihn am liebsten bis zum Pansenstillstand gefoltert. Lohnt sich nachzulesen.
Du wirst im Umfeld Deines Bockes und SEINER Frauen davon ausgehen müssen, insbesondere wenn sie heiß sind, daß in SEINEM Bereich in der Paarungszeit er der Chef ist. Das mußt Du bei einem Rhinozeros-Bullen auch. Bei diesem kämest Du auch nicht auf den Gedanken, er müsse Dir ausweichen.
Ich erlebe bei einer reinen Bockherde, daß die untergeordneten Böcke sich leicht händeln lassen, der Chef der Herde ist aber der Chef, der nicht mal gestattet, daß ich seinen Urin auffange, wenn er gleichzeitig Heu frißt.
Dabei gebückt, bin ich grad noch an einem Schädelbruch durch Hornstoß vorbei gekommen.
Deine Stöße gegen seinen Kopf können ihn nicht beeindrucken. Das ist eine Illusion. Natürlich könntest Du ihn so verprügeln, daß er panisch wird, aber das ist nicht im Sinne einer ordentlichen Tierhaltung und auch kein Gewinn im Umgang auf Dauer, etwa, wenn Du ihn behandeln mußt.
Ich würde also die flexible Lösung geschmeidigen Umgangs miteinander wählen, wobei Deine Vernunft seine Instinkte gut einzuschätzen helfen wird und Du mehr von ihm und über ihn lernen wirst als er von Dir.
Wir sind nicht nur zum Herrschen da.
Vielleicht teilst Du in vielem diese Meinung nicht, andere brauche ich
gar nicht zu fragen.

Verfasst: 31.10.2006, 20:35
von Surviva
Hallo Conni, hallo Moritz,


Herzlichen Dank für die hilfreichen Antworten, über die ich auch viel nachgedacht habe.

Beim Bock bin ich mir eben noch unsicher, wieweit ich dominieren, kuschen oder Kompromisse eingehen muss - und eben wie. Bei den sehr einfachen und weichen Weibern kann ich nach Instinkt und Wissen gehen, glaube ich, aber bei so einem Riesenbock will ich mir erst recht keine Fehler erlauben, weil das eben ganz andere Konsequenzen haben könnte. Ich denke, das was Conni schreibt, könnte so meine Richtung werden. Bei der Hundeführung weiss ich eben inzwischen, wie man auch mal Theater spielen und so Souveränität ausstrahlen kann, ohne sie zu haben, bei Ziegen muss ich erst noch lernen.

Heute geht es deutlich besser mt dem Bock, er ist neutral bis freundlich-interessiert, kein einziger Knuffversuch o.ä.. Er weicht immer etwas zurück, lässt mich überall passieren, kommt aber, wenn ich ihn mit Leckereien locke. Die Bockigkeit der Ziege ist nun eindeutig vorbei, was an seinem Verhalten sicher teil hat. Vielleicht hat er gestern auch bewusst angetestet, um zu sehen, woran er bei mir ist. Das würde ich bestimmt genauso machen, wäre ich neu! ;-) Ich glaube auch, dass er eher zu den freundlichen Böcken gehört, so wie er sich jetzt gibt, aber für mich als Ziegen-Anfängerin und mit dem halben Gewicht dieses Riesentiers scheine ich doch ab und zu Unsicherheit auszustrahlen - Ziegen merken eben alles. ;-( Vorsichtig und wachsam bleibe ich dennoch.

Seinen Hals habe ich um die Wunde grosszügig freigeschnitten, obwohl's mir um die schönen langen Haare so leid tat. Die Krusten gehen fast rund um den ganzen Hals und müssen bestimmt weh tun, ein Strang des Seils war stellenweise mit den Krusten verbunden. Zur Behandlung hatte ich den Bock kurz festgebunden, mit Brötchen versorgt. Wenn er nicht wollte und zappelte, gab ich ihm etwas Zeit, aber habe mich letztendlich stur gestellt und es so Schritt für Schritt durchgezogen. Es ging viiiiel besser als befürchtet. <aufatmen>

Moritz, den Thread zum Bockkommunikationsproblem hatte ich damals mitverfolgt, aber erstens würde ich diesen Bock nie umdrehen können, ausserdem vermutete ich, dass es ähnlich wie bei Hunden nicht wirklich was bringt, auf der einen Seite körperliche Gewalt anzuwenden, wenn man auf der anderen Seite keine "Führungsqualitäten" zeigen kann.

Conni, ich wollte eigentlich nie im Leben einen Bock, aber wegen der Blauzungenkrankheit fiel die geplante Insemination meiner Toggi in der Uni-Klinik diesen Herbst flach. Der erste gekaufte Bock, der Jungbock, hat das Decken trotz dreier Bockigkeiten nicht hingekriegt, so dass die Entscheidung für den zufällig entdeckten imposanten Toggenburger nicht schwer fiel. Nun muss der Jungbock gehen. Was mit dem Riesenvieh wird, ob er wirklich herpasst, weiss ich noch nicht. Schau mer mal...


Viele Grüsse,
Surviva