Chefin sagt, was gefressen wird - lang!

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Manu
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Registriert: 24.02.2003, 23:27

Chefin sagt, was gefressen wird - lang!

Beitrag von Manu »

Wenn Heu abgelehnt wird, denke ich - wie vermutlich die meisten hier - zuerst mal, dass damit etwas nicht stimmt. So auch in diesem Fall. Zum besseren Verständnis:

Meine Tiere fressen abends und bei Schlechtwetter aufgeteilt in zwei Gruppen, die Hälfte im Stall, die Hälfte im Unterstand. Aufteilung erfolgt selber und ändert sich nie - ist man satt, wird wieder EINE Herde draus. Der Unterstand ist auf der Rückseite des Stalles, die zwei Gruppen sehen sich also nicht. Vor ein paar Tagen blieb das Heu im Unterstand unangetastet, das im Stall wurde gefressen. Selber Ballen! Naja, ich hatte eine Katze oder ähnliches Getier in Verdacht, vielleicht angepinkelt - jedenfalls ausgetauscht. Anderer Ballen, gleiche Charge. Das gleiche Spiel - meine wunderbare, beste, einmalige, 13jährige Leitziege rennt im Unterstand von Raufe zu Raufe, lehnt dankend ab und will meine Taschen untersuchen, ob ich nicht doch noch was anderes hab. Die anderen beobachten die mäkelnde Chefin - und kommen auch zu mir. Das Heu ist von einer anderen Wiese und nicht ganz so artenreich wie das vorher gefütterte, aber unberegnet, locker gebunden und tadellos. Im Stall wird es anstandslos gefressen!

Also für den Moment eine andere Charge gefüttert ( die Scheffe für gut befindet) und überlegt. Mitte der Woche hab ich Madame bereits vor dem Füttern außerhalb vom Zaun zu den Brombeeren gelassen, und den anderen das Heu eingefüllt - und siehe da, nach kurzem Maulen ("wir wollen auch da raus!") frisst die Bande ohne Probleme das beanstandete Heu. Also hab ich einfach auf stur geschaltet und kein anderes mehr gegeben. Reisig und Äste gabs zwar wie immer ad libitum, aber nur dieses Heu. Fast zwei Tage zog sie ihren Streik durch - fraß aber sonst anständig, es lag NICHT an fehlendem Hunger! Ich habe sie jedesmal nach ihrem Raufenrundgang aus dem Unterstand entfernt, aber nimmer zu den Brombeeren - nicht dass sie das noch als Belohnung versteht! Sobald ich dann beim Heu "umgerührt" hab, als ob ich etwas verändert hätte, kam die restliche Bande und fraß anstandslos. Gestern abend nun hat sich auch Scheffe dazu herabgelassen, und heute morgen tat sie, als wäre nie etwas gewesen. Ich habe in all den Jahren noch nie erlebt, dass sich die Tiere futtertechnisch an der Leitziege orientieren, trotzdem bin ich sicher, dass es so war! Dieses Tier ist aber auch die unangefochtene Meisterin... Seit sie hier ist, musste sie nur einmal einen kurzen Kampf mit einem Neuzugang ausfechten, sonst akzeptiert jede sie sofort als Chefin, sie wirkt auch sehr "fair", wenn ich diese vermenschlichende Formulierung gebrauchen darf. Herdenzusammenführungen (für Sommerweide) sind bis auf ein paar Rangeleien auf mittlerer Ebene sehr ereignislos, was nicht selbstverständlich ist. Trotzdem finde ich eigenartig, dass das Gefolge die Futterempfehlung der großen Meisterin so beachtet 8|
Habt ihr sowas schon erlebt?
Lg
Manu


ElliBesch
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Registriert: 17.03.2008, 10:35

Beitrag von ElliBesch »

Ich vermute, dass dieses Verhalten in freier Wildbahn überlebenswichtig sein kann...

So lernen doch die Lämmer / Gitzis / Zicklein auch von ihren Müttern, was gut oder schlecht- ungiftig oder giftig ist- so sie denn die Chance dazu bekommen...

Meine beiden, sehr jungen Mädels lernten auch von ihrer Ziehmutter ( meiner damaligen, alten Omi) im Gelände, welches Kräutlein gut oder schlecht ist, denn die Kleinen kannten bis dato nur trockenen Tierpark-Boden mit noch trockeneren Brötchen darauf.

Es war sehr gut zu beobachten damals und ich bin der alten Dame immer noch sehr dankbar dafür.

Eine der Kleinen ist die jetzige Chefin und sie hat dieses Verhalten übernommen. Unsere Nachfolger-Ziegen belegen immer einen oder mehrere 'Schnupperkurse' bei ihr. :)

Lg Elli


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Not being vegan is a mistake. ^^
Manu
Beiträge: 504
Registriert: 24.02.2003, 23:27

Beitrag von Manu »

Ja Elli, bei den Kitzen kenne ich das genau so - das hier sind aber alles erwachsene Mädels, die schon lange nach eigener Nase fressen. Alle von Anfang an im Freien gewesen. Im Gelände sind die oft grad noch in gegenseitigem Sichtkontakt, auf das Futter der anderen wird nur dann geachtet, wenn es schon aus der Ferne besonders köstlich scheint. Da hat und nimmt meine Leitziege nicht den geringsten Einfluss. Darum sag ich ja, diese Aktion war mir komplett neu...

Lg

Manu


Zieglinde
Beiträge: 2759
Registriert: 06.03.2003, 18:21

Beitrag von Zieglinde »

So wie mir Ulli berichtet hatte, hat der erwachsene Moritz (normale Aufzucht, also mit Weide, Baum und Strauch) seinem erwachsenen Kumpel Leo auch erst mal zeigen müssen, wie Weidegang, Rinde schälen und fressen und schlafen unter freiem Himmel funktioniert.
Also Leo frißt nie Sachen, die er nicht kennt. Da muß immer erst der verfressene Moritz ran. Dann macht es Leo ihm nach (na gut, nach Jahren in meinem Besitz vertraut mir Leo schon inzwischen ein bisschen, das ich nur eßbare Sachen auf die Wiese bringe. Aber skeptisch ist er immer noch).


Es ist nur verständlich, dass die Wölfe die Abrüstung der Schafe verlangen, denn deren Wolle setzt dem Biss einen gewissen Widerstand entgegen.
(Gilbert Keith Chesterton)
Manu
Beiträge: 504
Registriert: 24.02.2003, 23:27

Beitrag von Manu »

Ist doch immer wieder interessant, was die Tiere so aufführen!
Vielleicht sollten wir einfach beim Füttern erstmal selber herzhaft reinbeißen, dann ersparen wir ihnen die Unsicherheiten :D

Ich stell mir grad den arglosen Wanderer vor, der sieht, wie ich knabbernd an der Raufe stehe... die Freunde mit den kleidsamen weißen Jäckchen wären wohl schnell vor Ort #bonk#


Zieglinde
Beiträge: 2759
Registriert: 06.03.2003, 18:21

Beitrag von Zieglinde »

Also, ich hab da schon ziemlich viel probiert. Vielleicht hab ich bisher Glück gehabt, das mich dabei niemand gesehen hat?


Es ist nur verständlich, dass die Wölfe die Abrüstung der Schafe verlangen, denn deren Wolle setzt dem Biss einen gewissen Widerstand entgegen.
(Gilbert Keith Chesterton)
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