Scheuer Kastrat

Zipfel
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Scheuer Kastrat

Beitrag von Zipfel »

hallo allerseits!

da ist dieser anderthalbjährige, kastrierte bock, der zu mir ziehen könnte. an sich gut, weil ich grosse lust habe, nicht nur mit den mädels, sondern auch (und vor allem) mit kastraten zu packen/fahren.

haken? klar: der kerle wurde mit einjährig mit der zange kastriert (betäubung weiss ich nicht. schätze mal, ohne vollnarkose) und ist seither menschen gegenüber etwas misstrauisch. laut der besitzerin zeigt er menschen gegenüber keinerlei agressionen. an bockigen damen ist er immer noch interessiert und springt auch auf.

bisher hab ich kaum erfahrung mit mönchen. mit der arbeit mit ihnen, bzw ihrer ausbildung überhaupt keine.
würd mich drum freuen, wenn die kastraten-halter hier (und gerne auch alle anderen) mir ihre einschätzung/erfahrung zu meinen fragen mitteilen würden!

zum beispiel: wenn der bock vor der kastration eher aufgeschlossen war, schätz ich mal, dass sich sein misstrauen auch wieder legen kann..? zur zeit hat er keinen intensiven umgang mit menschen, läuft mit ner herde mit und lässt sich allabendlich am halsband führen. das würd sich bei mir sicher ändern, da ich deutlich mehr zeit mit meinen ziegen verbringe. gibt es dazu andere einschätzungen?

und dann: wenn der junge nach wie vor auf die damen aufspringt, muss ich dann auch mit eher bockigem verhalten rechnen? thema rangordnungs-spiele... ich bin gerne gewillt, die rangordnung festzulegen, aber ich möchte keinen kerl im stall haben, der jedes mal denkt, er müsse sich auf die hinteren stellen oder mit seinen zapfen an mir rumwerkeln.

ja, klar, trauma: ich hatte einmal einen fürchterlich schlecht erzogenen deckbock zu besuch (vielleicht ein flaschi?), bei dem hat hinwerfen und festhalten und alles nix geholfen. den musst ich jeden tag anbinden, um die damen zu melken, und es war jeden tag ein kampf. auf sowas hab ich überhaupt gar keine lust mehr...

aber bei meinem scheuen kastraten scheint mir das eher unwahrscheinlich, wa?

ich freu mich über antworten - und gerne auch weitere überlegungen zum thema!

schönen gruss
zipfel
Zuletzt geändert von Zipfel am 06.01.2017, 10:59, insgesamt 1-mal geändert.


Jassi
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Beitrag von Jassi »

[quote='Zipfel','http://ziegen-treff.de/forum/index.php? ... post209358']und dann: wenn der junge nach wie vor auf die damen aufspringt, muss ich dann auch mit eher bockigem verhalten rechnen?
[/quote]Ich denke, dann kannst Du mit Lämmern rechnen ;-)

Es kann durchaus sein, dass der Bock noch Zeugungsfähig ist. Die Samenstränge wurden nur gequetscht und nicht durchtrennt. Gerade, wenn er noch ein ausgeprägtes Triebverhalten zeigt, ist es wahrscheinlich. Oder läuft er schon länger in der Herde mit ohne dass die Ziegen erfolgreich gedeckt wurden. Läuft zusammen mit ihm auch ein potenter Bock mit?

Ich denke schon, dass er zutraulicher werden wird, wenn Du täglich mit ihm zusammen bist.Wie letztendlich sein Charakter sein wird, kannst Du nicht vorhersehen.



Jassi


Zipfel
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Beitrag von Zipfel »

@Jassi:
das mit den lämmern war auch mein erster gedanke. die besitzerin meinte aber, die hoden seien schon ganz klein geworden. das wär wahrscheinlich nicht der fall, wenn die noch arbeiten würden.? da läuft auch noch ein junger bock mit.

ne, klar, charakter wird sich zeigen. und erst mal hoffe ich halt darauf, dass das kastrations-trauma (die besitzerin meinte, mit zange macht sie nie wieder!) in kombi mit sparsam umgang der grund für sein misstrauen sind.

wie ausgeprägt das triebverhalten ist, weiss ich nicht. aber es ist da.
glaubt ihr, das heisst für mich, dass ich mit ihm eher wie mit einem bock umgehen sollte? nicht zuviel verkuscheln, respekt einfordern (mach ich bei den mädels ja bei bedarf auch. scheint mir aber kein grosser diskussionspunkt), eher disdanzierten umgang miteinander ect.?
das beschäftigt mich schon noch bisschen.

ich hab von kastraten gehört, sie seien häufig sehr freundlich und tendenziell (das gilt natürlich nicht für jedes einzelne tier. ich meine da tatsächlich tendenzen) sogar unkomplizierter als die mädels.


Susanne M.
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Beitrag von Susanne M. »

Mein Sigurd ( auf meinem Bildchen links hinten) wurde mit 5 Monaten mit Zange kastriert, ohne Narkose würde ich das nie mehr machen.

Ich kenn aber jetzt einen guten Tierarzt, der mit Vollnarkose, örtlicher Betäubung und Zange kastriert und das geht sehr gut.

Bei Sigurd dachte ich auch, dass er nach der Kastration das Grundvertrauen verloren hat, er war eine Zeit lang sehr scheu. Das hat sich aber wieder gegeben. Er ist jetzt fast 10 Jahre alt, ein sehr großes, schönes Tier und ist zu mir sehr lieb, nie agressiv, vor fremden Leuten hat er Angst. Er hat auch brav den Packsattel getragen, war aber unterwegs immer eher ängstlich und war immer froh, wieder daheim bei seinen Mädels zu sein.


Jassi
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Beitrag von Jassi »

[quote='Susanne M.','http://ziegen-treff.de/forum/index.php? ... post209364']wurde mit 5 Monaten mit Zange kastriert, ohne Narkose würde ich das nie mehr machen.
[/quote]Wäre auch verboten. Ich verstehe die Rechtslage allerdings nicht, die unterscheidet zwischen Kastration vor (ohne Betäubung möglich)und nach vier Wochen Lebensalter. Meiner Meinung nach hat ein Lebewesen auch mit vier Wochen ein vollumfängliches Schmerzempfinden und sollte auf jeden Fall betäubt werden.


Jassi


Leela
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Beitrag von Leela »

Ich finds einfach krass, wie oft man von misslungen Zangenkastrationen liest...seien es Tiere, die noch lange Schmerzen haben oder dann trotzdem noch zeugungsfähig sind.
Darf da eigentlich jeder Laie ran? Fachmännisch durchgeführt mag die Kastration mit der Zange ja ok sein aber eben....


Meli
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Beitrag von Meli »

[quote='Jassi','http://ziegen-treff.de/forum/index.php? ... post209359'][quote='Zipfel','http://ziegen-treff.de/forum/index.php? ... post209358']und dann: wenn der junge nach wie vor auf die damen aufspringt, muss ich dann auch mit eher bockigem verhalten rechnen?
[/quote]Ich denke, dann kannst Du mit Lämmern rechnen ;-)
[/quote]Ich habe 2 kastrierte Böcke, 4 Jahre alt - Anton und Wothan.
Anton wurde mit 5 Monaten blutig kastriert und Wothan mit 9 Monaten.
Anton ist relativ schlank, langbeinig und Wothan immer noch muskulöser und die Hörner sind auch größer und dicker. Bin selber sehr überrascht gewesen was 4 Monate mehr Testosteron ausmachen.
Wothan ist der Chef in der Herde, seine Mutter die Chefin.
Beide Böcke zeigen immer noch Interesse an bockigen Ziegen und springen auch auf, sind aber auch schnell genervt wenn die Ziegen zudringlich werden. Das Bockverhalten ist, im Vergleich zum nicht kastrierten Bock, sehr abgeschwächt.
Der Umgang mit den beiden ist unkompliziert. Wothan fragt immer mal vorsichtig nach ob ich immer noch Chefansprüche habe :) aber er fügt sich sofort, wenn ich darauf nicht eingehe und selbstbewusst entweder Platz einforder oder einfach mit der Arbeit weitermache.
Sie lieben Spaziergänge, folgen uns sofort und sind weniger ängstlich als die Ziegen.


Judith Schmidt
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Beitrag von Judith Schmidt »

Hallo Zipfel,

ich habe verschiedene Mönche - mit der Zange kastriert und blutig in einer OP kastriert. Alle Böcke springen auf bockige Ziegen auf, aber alle sind zeugungsunfähig. Alle Böcke sind (waren - einige sind bereits gestorben) super lieb und ich finde Mönche einfach nur klasse. Sie duften vor allem so herrlich - nicht typisch nach Ziege, sondern nach Erde, Moos, Heu, Gras und frischer Luft.

Wir haben im April letzten Jahres einen sehr scheuen Mönch gekauft, der nach wenigen Wochen super verschmust geworden ist - weil ich im Alltag einfach sehr viel Zeit mit den Tieren verbringe. Und du schreibst, dass du das ja auch leisten kannst. Deshalb sehe ich eigentlich dein Vorhaben für positiv an und bin mir ziemlich sicher, dass alles gut gehen wird.


Schönen Gruß aus der belgischen Eifel
Judith

Für mich ist das Leben eines Lamms nicht weniger wertvoll, als das Leben eines Menschen. (Mahatma Gandhi)

Caprino Seminare & Vorträge
www.ziegenworkshop.com
Zipfel
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Beitrag von Zipfel »

meli und judith

danke! die berichte über eure mönche stimmen mich zuversichtlich - und machen mir grad sehr gute laune : )

wenn jemand hin und wieder (und in einem vernünftigen "tonfall") nachfragt, ob er nicht vielleicht doch bisschen chef sein dürfe, dünkt mich das auch nicht problematisch. ich hab nur echt den graus vor so konstantem, argessivem drohen, wie damals bei besagtem bock (wir haben ihn "liebevoll" chantal genannt).

oh, ich freu mich! mein erster mönch! und wenn der dann vielleicht sogar lust auf arbeit hat...
ich beginn schon wieder, rumzuträumen.
also eins nach dem anderen.

lieben gruss
zipfel


Scrollan
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Registriert: 23.11.2014, 10:28

Beitrag von Scrollan »

Ich habe vier Mönche, alle vier recht unterschiedlich kastriert. Moritz und Fin (3 Jahre alt) wurden mit zwei Wochen mittels Gummiring kastriert. Nach fünf weiteren Monaten stellte ich fest, dass bei Fin ein Hoden übrig geblieben war. Er begann auch nach Bock zu riechen, wurde launisch und getriebener. Mit acht Monaten ließ ich ihn dann vollständig operativ kastrieren. Es tat ihm sehr gut, er wurde sehr ruhig und anhänglich, einfach ausgeglichener.
Moritz ist durch die extrem frühe Kastration etwas pumeliger gebaut, also eher wie eine Dame als wie ein Bock, zierliche Hörner, kein Bart. Einen richtigen Bart haben sie alle nicht. Er ist außerdem der anhänglichste, versteckt sich bei "Gefahr" hinter unseren Beinen. Er wuchs weitestgehend ohne Tageslicht mit seiner Muter und seinen beiden blinden geschwistern im Stall auf. Fin ist bis heute der Chef. Er ist eine ganz schöne Diva, so würde ichs bezeichnen, denn er ist sehr schnell eifersüchtig, braucht sehr viel Aufmerksamkeit und hat oft Tage, an denen er besondere Bedürfnisse hat, also neben frischem Geäst, möchte er dann auch gebürstet werden, oder mal ne Runde kempeln. Dafür ist er aber auch eine super Arbeitsziege! Er ist so diszipliniert und wachsam, wenn wir unterwegs sind. Er kann gut Verantwortung übernehmen. Als wir die beiden bekamen, war Fin auch eher der Scheue, anfassen konnte man ihn gar nicht, er ist immer weggeflitzt. Ich denke, dass die Operation ihn an uns gebunden hat. Als ich die beiden damals aus der Klinik abgeholt habe, haben sie nur meine Stimme gehört, mich nicht gesehen, und fingen an mich zu rufen. Das war der schönste Moment in meinem Leben!

Meine zwei jüngeren wurden mit zwei Monaten per Zange kastriert. Zu ihrer Entwicklung kann ich nicht so viel sagen, da ich sie erst mit sechs Monaten aufnahm. Veeti und Sonii sind jetzt zwei Jahre alt, sie haben sich vom Körperbau her auch eher so wie Moritz entwickelt, nicht gerade bocktypisch. Sonii hat als einziger einen leichten Bart, sehr dünn.
Veeti und Sonii bekomme ich nicht zahm. Das liegt aber meiner Meinung nach weniger an der Kastration, sondern an ihrer Entwicklung. Sie wuchsen in einem komplexen Herdengefüge auf, die Eltertiere hatten keinerlei Körperkontakt zu Menschen, außer Kastration, Ohrmarken einziehen, und Lämmer aus der Herde fischen. Ich probiere alles was ich kann, aber ich glaube dieses Desinteresse am Menschen bekomme ich aus ihnen nicht heraus.
Bockig sind sie alle nicht, anfangs bestiegen sie sich gegenseitig einige male, mittlerweile nur noch selten spielerisch.

Alles in allem kann ich sagen, die Mönche mit "Trauma" haben eine sehr feste Bindung zu uns, die Tiere mit "normaler" Entwicklung wahrscheinlich schwieriger aufbauen. Aber das kann natürlich von Fall zu Fall verschieden sein.


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