Ziege mobbt die anderen Tiere

Corina
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Ziege mobbt die anderen Tiere

Beitrag von Corina »

Hallo zusammen,

ich benötige euren Rat. Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen.
Ich habe 6 Schafe (unbehornt) und 5 Ziegen (3 davon behornt). Das Zusammenleben unserer Schafe und Ziegen funktioniert grundsätzlich recht problemlos.
Unser Ziegenbock Jakob (behornt und kastriert) lässt die Damen zwar gelegentlich seine Hörner spüren und will zeigen, dass er im Stall der Boss ist.
Das ist aber auch nicht weiter schlimm.

Sorgen macht mir meine Ziege Lotta (behornt). Habe sie im Juni 2017 mit ca. 3,5 Monaten bekommen. Ihre Mutter hatte damals Zwillinge. Lotta war leider der unbeliebte Zwilling – sie durfte nicht trinken, wurde von der Mutter ständig gebissen und gepiesackt. Von den Vorbesitzern wurde sie daher mehr oder weniger von Hand aufgezogen und leider auch verhätschelt. Mit Menschen versteht sich Lotta wirklich gut. Sie ist mega lieb, anhänglich und clever und weiß ganz genau, wie man die Menschen um den Finger wickelt. Gegenüber ihren tierischen Gesellen verhält sich Lotta jedoch sehr kratzbürstig und fies. 2 Ziegen (behornt und unbehornt) und 2 Schafe aus unserer Herde sind quasi ihre Mobbingopfer und werden regelmäßig mit den Hörnern attackiert, gezwickt und gebissen. Im Sommer konnten die „Mobbingopfer“ auf der Weide recht gut ausweichen – es sei denn, sie wurden von Lotta mal wieder über die ganze Weide verfolgt. Im Stall geht sich das Ausweichen jetzt natürlich nicht mehr ganz so gut aus. Ergebnis einer Lotta-Attacke war nun ein 10 cm langer Cut bei einem der Schafe.

Lottas Verhalten bringt Unruhe in die ganze Herde. Weggeben möchte ich die Ziege eigentlich nicht, aber eine Lösung muss her ... Habe mir überlegt, einen Hornschutz zu basteln. Vor Bissen schützt der aber leider nicht ...Habt ihr eventuell einen Rat für mich, wie ich es schaffen kann, Lotta das „Mobben“ abzugewöhnen oder was man in so einem Fall machen kann?

Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße, Corina


sanhestar
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Beitrag von sanhestar »

Hornschutz geht gut mit Isolierschutz für Wasserleitungen.

Generell ist das mobbing verankert in Frustration. Im Winter können Ursachen hierfür sein:

- Platzmangel
- Futtermangel
- zu wenige Futterplätze: Faustregel sagt, ein Futterplatz mehr als Tiere. Ich bevorzuge 2-3 mehr Futterplätze als Tiere
- Distanz
- Strukturierung des Stalles: Sichtschutz, erhöhte Liegeflächen

Auch gesundheitliche Ursachen abklären, wie Eierstockszysten.

Wann mobbt sie? Welche Resourcen verteidigt sie? Futter, Menschen?


Sabine M.H.
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Corina
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Beitrag von Corina »

Wir haben im Stall erhöhte Liegeflächen, Sichtschutz, ausreichend Futter und Futterplätze und einen Auslauf ins Freie.

Gemobbt wird nicht aber nur im Winter, sondern das ganze Jahr über. Also auch im Sommer auf der Weide - trotz genügend Platz und Futterangebot.

Teilweise mobbt Lotta aus Eifersucht. Wenn ich mich mit den anderen Tieren länger beschäftige, dann passt ihr das meist überhaupt nicht in den Kram. Gemobbt werden aber auch nicht alle, sondern nur die Schwächeren bzw. die, die sich nicht wehren. Oft versuche ich, Lotta und ihre Opfer zeitgleich zu streicheln. Gelegentlich gelingt es und Lotta ist friedlich. An manchen Tagen ist der Friede nur von kurzer Dauer und sie teilt wieder aus, um mich ganz für sich alleine zu haben. Und dann gibts Tage, da kommt ein "Gruppenkuscheln/Gruppenstreicheln" erst gar nicht zustande, da die anderen gleich Reißaus nehmen, wenn Lotta auftaucht.

Es kommt aber auch oft vor, dass Lotta ihre Opfer, grundlos attackiert. Konnte schon beobachten, dass sie sich von hinten anschleicht und ihnen dann ins Fell zwickt oder Anlauf nimmt und mit den Hörnern rammt. Für mich deshalb grundlos, weil genügend Futter- und Futterplätze vorhanden sind und im Vorfeld auch keines der anderen Tiere gestreichelt wurde.

Aber irgendeinen Grund wird sie wohl doch haben ... Gelegentlich kommt es mir so vor, als ob es ihr Spaß macht, die anderen zu mobben. Und manchmal macht es den Eindruck, als ob sie zeigen will, dass sie der Boss ist.


sanhestar
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Beitrag von sanhestar »

Verhalten hat immer einen Grund.

Eifersucht - besser Resourcenverteidigung genannt: ja, sie betrachtet Dich als Resource und will Dich alleine haben. Sie kann lernen, Dich zu teilen, aber das ist ein langer Weg.

Gemeinsam streicheln ist schon ein guter Ansatz. Aber auch hier braucht es Regeln für Lotta. Z.B. dass das Streicheln endet, sobald sie ein anderes Herdenmitglied bedroht. Und zwar nicht mit Schimpfen, sondern mit kommentarlos weg- und rausgehen. z.B., dass Streicheln nur beginnt, wenn ein rangniedriges Herdenmitglied sich wohl genug fühlt, um neben Dir zu bleiben, während Lotta auf Deiner anderen Seite steht. Drohen = s. oben.

Ansonsten hilft Management, damit sie das mobben nicht weiter täglich üben kann: wenn Du Dich in der Herde bewegst und sie nicht beaufsichtigen kannst, kommt sie an einen Strick und wird entweder angebunden oder muss mit Dir mitgehen - was immer Dir besser taugt. Sollte sie noch nicht angebunden stehen können, das zuerst üben.

Gestreichelt wird sie in einer Gruppensituation als Erste, dann das andere Tier, dann wieder sie. Es geht zwar gegen das menschliche Empfinden für "Fairness", aber Du bekommst langfristig nur Ruhe rein, wenn sie ihren Bedarf an Aufmerksamkeit von Dir decken kann.

Das mobben "ohne Grund" ist selbst bestärkend. Dadurch, dass die anderen Tiere ausweichen, lohnt sich das aggressive Verhalten für Lotta. Das kann sich langfristig ändern, aber wird dauern.

Dann kann es helfen, sogenannte Bodentargets einzuführen = feste Standorte, an denen das Streicheln stattfindet und an denen sich Lotta bleiben muss, wenn sie gestreichelt werden will. Dies können erhöhte Plätze sein, wie Kabeltrommeln oder markante Punkte im Stall, wie ein bestimmter Pfosten, etc.


Sabine M.H.
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Toshihikokoga
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Beitrag von Toshihikokoga »

[quote='sanhestar','https://ziegen-treff.de/forum/index.php ... post215791']- zu wenige Futterplätze: Faustregel sagt, ein Futterplatz mehr als Tiere. Ich bevorzuge 2-3 mehr Futterplätze als Tiere
[/quote]Gibts da eine Definition von Futterplätzen? Es gibt zwar Richtlinien welche Breite am Trog/der Raufe/dem Futtertisch pro Ziege je nach Alter, Geschlecht, Hornstatus vorhanden sein muss, eine Heuraufe mit 2m kann aber durchaus von einer gelangweilten Ziege den ganzen Tag blockiert werden, ebenso kann an einem Trog der zweite Fressgitterplatz genutzt, der erste und dritte jedoch von anderen Ziegen verschmäht werden weil eben von innen raus verteidigt wird. Dann reichen 8 Plätze teilweise nur für 3 Ziegen. Sind halt keine Schafe ;)


Being a vegan is a missed steak
sanhestar
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Beitrag von sanhestar »

ich kann Dir nur schreiben, wie ich das gelöst habe:

drei lange Raufen, davon zwei an der Wand und eine freistehend im Hauptstall. Eine kleine Wandraufe im alten Stallbereich (abgeschirmt durch eine Trennwand). Fünf Heusäcke (keine Netze), die durch den Stall verteilt, einer davon am anderen Ende des Auslaufes aufgehängt werden.

Wenn das Wetter es zulässt, noch vier Heubälle = sich bewegendes Futter.

Als die Herde noch grösser war und mehr Auslauffläche zur Verfügung hatte, gab es noch eine weitere Heuraufe, auch diese so weit wie möglich von den Hauptfressplätzen entfernt.


Sabine M.H.
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sanhestar
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Beitrag von sanhestar »

ich habe Dir mal einen kurzen Ausschnitt aus dem Sommertraining mit meinen zwei Streithähnen hochgeladen.

Trainingsziel war Futterhöflichkeit in der Gruppe. Harvey - gross, weiß, gehörnt und David - braun, gross, gehörnt gehen sich hierbei immer wieder an.

Kriterien waren:

einer steht links - Harvey, der andere rechts von mir - David. Da David die Agression nicht initiiert, richtet sich der Clickzeitpunkt nach Harvey. Steht dieser gerade, nicht an mich lehnend und auch nicht in Richtung David drohend, bestärke und belohne ich.

Um es Harvey leichter zu machen, begrenze ich ihn mit einer "leichten" Hand am Halsband und füttere David, wenn dieser zu nahe heran rückt, wieder etwas auf Distanz.

Wichtig bei solchen Übungen: nur kurze Durchgänge machen. Max. 2-3 Wiederholungen und aufhören, solange die Tiere noch Frieden halten können. Lieber häufiger pro Tag ganz kurze Abfragen anstatt, weil es gerade gut gelaufen ist, noch einen und noch einen Durchgang zu verlangen und dann in eine Frustrationspirale zu rutschen, weil die Tiere nicht mehr entspannt sein können.

Am Anfang kann das auch nur ein einziger, guter Durchgang sein.

Futterhöflichkeit

Nachtrag: ich arbeite an Höflichkeit in Anwesenheit von Futter. Dir und Lotta würde ich raten, Futter auf KEINEN Fall in's Spiel zu bringen, sondern das Streicheln und die Aufmerksamkeit als Belohnung zu verwenden. Futterhöflichkeit ist noch viel zu schwierig für Lotta.


Sabine M.H.
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Corina
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Beitrag von Corina »

Ok, das "Nicht-Schimpfen" muss ich in dem Fall noch üben ;-) Habe ich gelegentlich zwar auch schon gemacht, dass ich nach einem Angriff einfach kommentarlos weggegangen bin. Manchmal reißt mir dann aber doch der Geduldsfaden und Lotta muss ein paar Schimpftiraden über sich ergehen lassen. Wobei ich sagen muss, dass das Schimpfen teilweise auch hilft. Wenn ich merke, dass Lotta zu einem Angriff übergehen will und ich sie laut ermahne, wendet sie sich meistens ab und lässt den Quatsch. Hilft zwar nicht immer, aber oft. Allerdings kann ich sie natürlich nicht den ganzen Tag über kontrollieren und weiß daher nicht, welchen Blödsinn sie sonst noch treibt. Lotta wird momentan sehr oft von unserem Ziegenbock Jakob und seiner Schwester Gwenny in die Schranken gewiesen – mir scheint, als würde den beiden dieses Verhalten auch schon langsam auf den Keks gehen. Aber allzu viel hilft's wohl doch nicht.

Mein Freund hat mir soeben erzählt, dass Lotta den Stalleingang blockiert hat und zwei der anderen Ziegen (Mutter mit Tochter) nicht reinlassen wollte bzw. dann mal wieder mit den Hörnern zugestoßen hat, als die Große an ihr vorbei wollte ...

Wir haben noch einen zweiten, kleineren Stall. In den will mein Freund Lotta für ein paar Tage ausquartieren, um zu sehen wie sich das "Stallklima" verändert. Ich bin mir sicher, dass Ruhe einkehrt, wenn Lotta auszieht. Aber irgendwann (in absehbarer Zeit) sollte sie dann auch wieder einziehen.

Weiß daher nicht, ob es schlau ist, Lotta jetzt erst mal für ein paar Tage auszuquartieren. Was meint ihr dazu?


Bockshorn
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Beitrag von Bockshorn »

Klingt einen Versuch wert


sanhestar
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Beitrag von sanhestar »

[quote='Corina','https://ziegen-treff.de/forum/index.php ... post215799']Ok, das "Nicht-Schimpfen" muss ich in dem Fall noch üben ;-) Habe ich gelegentlich zwar auch schon gemacht, dass ich nach einem Angriff einfach kommentarlos weggegangen bin. Manchmal reißt mir dann aber doch der Geduldsfaden und Lotta muss ein paar Schimpftiraden über sich ergehen lassen. Wobei ich sagen muss, dass das Schimpfen teilweise auch hilft. Wenn ich merke, dass Lotta zu einem Angriff übergehen will und ich sie laut ermahne, wendet sie sich meistens ab und lässt den Quatsch. Hilft zwar nicht immer, aber oft.
[/quote]nun, da hast Du schon mal einen Grundstein, warum das Verhalten nicht verschwindet und warum sie es immer wieder zeigt.

Jedes Verhalten, das verstärkt wird, wird wieder und wieder gezeigt. Negative Aufmerksamkeit = Schimpfen ist Aufmerksamkeit und somit verstärkend. Du hast sie bemerkt und angesprochen.
Vergleiche das mit einem Kind, das solange "nervt", bis es ermahnt oder ausgeschimpft wird. Es geht dem Kind nicht um's geschimpft werden, sondern darum, WAHRGENOMMEN zu werden. Gleiches bei Lotta.

Und da Du nur ab und zu schimpfst, ist das ganze jetzt eine variable Verstärkung geworden. Und kein Verhalten ist widerstandsfähiger als eines, das variabel verstärkt wird.

Trennen: NEIN!

Warum? - Weil das mobbing mit hoher Wahrscheinlichkeit menschengemacht ist und nun die Ziege durch Einzelhaltung das ausbaden muss.

Und was wird wohl passieren, wenn sie zurück in die Herde kommt? Mehr mobbing, weil sie dann den verlorenen Rangstatus wieder erarbeiten muss. Somit kann sie das unerwünschte Verhalten wieder üben.

Wieder zeigte sie mobbing im Beisein eines Menschen. Zeigt sie mobbing, wenn keine Menschen anwesend sind? Um dies zu klären, wäre eine Kamera nützlich.


Sabine M.H.
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